Jonathan Franzen, Unschuld

  • So ganz freiwillig habe ich die achthundert Seiten nicht gelesen. "Unschuld" war ein Geschenk, das erst mal im Stapel verschwunden ist und irgendwann oben lag.


    Wenn man grundsätzlich gerne liest, schafft man auch achthundert Seiten. Franzen kann ja durchaus schreiben und auch Spannung erzeugen.
    Trotzdem habe ich selten bei einem Schmöker gehofft, er möge sich endlich dem Ende zuneigen.


    Warum dieser Frust bei zumindest zeitweiliger Leselust?


    Dass ich nicht immer mit Behagen lesen konnte, war möglicherweise ja Absicht. Ich kannte Franzen nur aus einem Fernsehinterview. Da hat er sich darüber beklagt, dass der englische Titel falsch übersetzt sei: Purity sei Reinheit, nicht Unschuld.
    Ansonsten war er für mich sympathisch und souverän. Zwischen den Zeilen hatte er aber auch Züge eines Weltverbesserers. Von dieser Sorte gibt es in seinem Roman einige Protagonisten ... und er lässt sie alle scheitern.


    Was bleibt?
    Ich weiß jetzt, dass der Geschlechterkampf eine Sackgasse ist. Ich habe den Unterschied zwischen Sex und Liebe erkannt und ich weiß jetzt auch, was Globalisierung bedeuted, wenn eine Familiengeschichte sich über drei Kontinente hinzieht.
    Ich weiß, dass mit Massentierhaltung blutiges Geld verdient wird, dass der Neoliberalismus Menschen korrumpiert und sie für ihren Reichtum mit Einsamkeit bestraft werden. Ich weiß jetzt endlich, dass Verbrecher zugleich Opfer sind.
    Ich weiß auch, dass das Internet ein totalitäres System ist, dem der Mensch sich selbst ausliefert. Allerdings hatte ich es bisher nicht mit der DDR in Beziehung gesetz. Ich weiß, dass auch Whistleblower nur ihrem eigenen Ego dienen.



    Ob allerdings Franzens Panoptikum aller aktuellen Themen tatsächlich der JahrhundertRoman ist, als der er angepriesen wird, das weiß ich nicht.


    Mir hätte es schon gereicht, dass ich ihn gerne gelesen habe. Literaturkritik ist nicht so mein Ding.


    Jonathan Franzen
    Unschuld
    Rowohlt Verlag, 2015

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