Fortsetzung II
Uli Hoeneß sagte zuletzt, die WM verbessere die Menschenrechtssituation in Katar. Was würden Sie ihm entgegnen
Dass das in Russland und China auch nicht geklappt hat. Und natürlich sagt Uli Hoeneß nur positive Dinge über die WM in Katar, weil der FC Bayern von Katar profitiert, Qatar Airways ist Ärmelsponsor bei den Bayern.
Ich traue den wenigsten Persönlichkeiten, die im Fußball Einfluss haben, weil sie Teil eines Systems voller Abhängigkeiten sind. Ich frage mich immer, wo und wie das Geld fließt
Rund um die WM-Vergabe nach Katar soll laut der Doku »Geheimsache Katar« Karl-Heinz Rummenigge zwei Rolex-Uhren erhalten haben. Wenn das stimmt, habe ich für so etwas kein Verständnis. Da kann er ein noch so großer Fußballer gewesen sein.
Die WM in Katar ist ja nur die Spitze der Entwicklung des modernen Fußballs. Wird der Fußball Ihrer Meinung nach seiner gesellschaftlichen Relevanz überhaupt noch gerecht
Nein. Null. Fußball kann Menschen über alle Klassen und Grenzen hinweg miteinander verbinden. Es gibt tolle Vereinskooperationen mit Schulen zur Vermittlung der Werte im Unterricht und auf dem Platz. Eigentlich. Aber der moderne Fußball ist so abgehoben, dass er das nicht mehr tut. Und es findet eine totale Überflutung und Sättigung statt, die Zuschauerzahlen gehen zurück, die Tickets sind zu teuer. Eine riesige Fehlentwicklung.
Sie sind gesellschaftlich engagiert, Gründerin von »Sports4Education«, Mitglied bei »Common Goal« und »Athletes stand up«, in beratender Funktion tätig bei »Fußball kann mehr«. Was kann der Sport den bestenfalls leisten
Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Mich hat der Fußball gelehrt, sozial zu sein, fair zu sein, verantwortungsbewusst zu handeln. Diese Werte müssen aber auch von den Verbänden gelebt werden. Der Fußball hat die Aufmerksamkeit, um erfolgreiche soziale Projekte an den Start zu bringen, im Bereich der Nachhaltigkeit, der Chancengleichheit, der Bildung etwa. Es wäre so viel möglich, weil die Menschen hinsehen. Tja.
Kann der Frauenfußball von den Fehlentwicklungen im Männerfußball nicht auch profitieren? Tanja Pawollek von Eintracht Frankfurt sagte zuletzt: »Wir haben den ehrlichen Fußball.
Auf jeden Fall. Es braucht im Frauenfußball dieselben professionellen Strukturen wie bei den Männern, da müssen wir viel mehr investieren. Aber von vielem müssen wir auch weiter Abstand halten: dieses Überdimensionale, diese Verhaltensauffälligkeiten. Wie das gehen kann, haben wir in England bei der EM im Sommer gesehen. Da gibt es eine totale Euphorie und Dynamik, auch weil die einen Verband haben, der Bock auf Frauenfußball hat. Mit einer Präsidentin, Debbie Hewitt.
Wenn man Sie morgen zur DFB-Präsidentin wählen würde, was würden Sie als erstes angehen
Wenn man beim DFB in Frankfurt reinkommt, sieht man direkt am Fahrstuhl die Ebenen der Zuständigkeiten, die die perfekte Veranschaulichung der Hierarchie dieses Verbandes darstellt. Die Teams für Nachhaltigkeit und Fanbelange sind ganz unten, ganz oben ist der Präsident.
Als erstes würde ich diese Hierarchie zerschlagen, alles auf eine Ebene packen und mit einer ganz klaren Doppelspitze als Kommunikator: in aller Belange agieren. Dann würde ich den kompletten Laden durchleuchten, um die ganzen Finanzströme zu verstehen. Es braucht Transparenz.
(sz-magazin.sueddeutsche.de)