13 Jahre lang war sie Dombaumeisterin, die erste Frau in diesem Amt. Nicht nur aus meiner Sicht hat sie mit profundem Fachwissen, Offenheit und einer klaren Ansage gute Arbeit geleistet. U. a. hat sie sich für das Richter-Fenster stark gemacht, das deshalb manchmal auch scherzhaft Schock-Richter-Fenster genannt wird.
"Ich hatte spontan die Idee, Gerhard Richter nach einem Entwurf zu fragen ... Dann folgten fünf Jahre harter Arbeit: Material, Befestigung, Farbauswahl, Farbverteilung. Das Fenster ist ja exaktt für diesen Platz komponiert, und nur da gehört es hin. Das sage ich dann immer den Doofen, die manchmal noch kommen und meinen, das sei doch gar keine Kunst: mal eben den Computer anwerfen und fertig ist das Fenster. Von wegen. Nach vielen Jahren intensiver Suche haben wir eine grandiose künstlerische Lösung gefunden." *
Als sie 2012 in den Ruhestand ging, ist sie nicht verstummt. Regelmäßig veröffentlichte der KStA ihre Kolumne "Köln - Auf den Punkt". Da greift sie alles auf, was ihr an der Kölner Stadtplanung und -entwicklung gefällt ... oder eben auch nicht gefällt; so wie z. B. die Umgebung des Doms. Die sehe auf gut Schwäbisch aus wie d'Sau, meint sie.
Bei diesen Kolumnen hat mir der "Lehrpfad für Architekturgeschichhte" besonders gut gefallen, ein Gang durch die Breite Straße und die Ehrenstraße. Jeder Kölner ist hier schon zig-fach durchgelaufen und hat doch das nicht gesehen, worauf Schock-Werner hinweist.
Entscheidend ist der Blick nach oben, der beim Schlendern durch Einkaufsstraßen meist fehlt. Auch wer im Straßencafé sitzt, beobachtet in der Regel seine Mitmenschen und nicht Hausfassaden.
Der Blick nach oben lohnt sich! Wer weiß schon, dass am Karstadt-Gebäude -früher Kaufhaus Peters- bis heute Kriegsschäden sichtbar sind? Wer achtet darauf, dass das WDR-Gebäude am Wilhelm-Hartmann-Platz, wie unzählige Verwaltungsgebäude seiner Zeit, der "gebaute Fleiß" ist: Viele, viele kleine Fenster nebeneinander und hinter jedem sitzt jemand unverdrossen bei der Arbeit.
Es gelingt Schock-Werner, Architekturgeschichte so zu vermitteln, dass auch jeder Laie ihr gut folgen kann. Sie ordnet die "Perlen" historisch ein, kritisiert aber genauso deutlich die Schmuddelecken und Schandflecken der Stadt.
Aus den erweiterten Kolumnen ist jetzt ein lesenswertes Buch mit vielen Fotos entstanden. Man kann darin stöbern ... und weiß sofort, was sie meint, oder man schaut sich markante Punkte der Stadt -mit dem Buch in der Hand- noch einmal aus einem anderen Blickwinkel an; z. B. die völlig verwahrloste Südbrücke oder die Bastei. Beide stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Bei der Südbrücke sieht man das sofort, wenn man weiß, wann die Hohenzollernbrücke gebaut wurde, aber die Bastei? Die wurde auch schon 1924 gebaut -vor dem Krieg! Riphahn setzte auf einen preußischen Befestigungsturm, dessen Kanonenöffnungen bis heute gut sichtbar sind, ein für die damalige Zeit typisches, aber mit vorkragenden Stahlträgern technisch "gewagtes" Gebäude. "Die 20er-Jahre entdecken zum einen das Rund neu ... Mit der Form des Dachs nimmt Riphahn zum anderen die Vorlieben des Expressionismus für Ecken und Kanten auf." *
Im Vorwort zum Buch beschreibt Gerhard Richter es als eine "Schule des Sehens". Das trifft den Punkt, denn man sieht nur das, was man weiß.
*Barbara Schock-Werner, Köln Auf den Punkt
DuMont Buchverlag Köln, 2015