Ha! Hier geht es in mein Fachgebiet.
Liebe agrippinensis, Du hast einen der bösen, bösen Makler vor Dir. Na ja, nicht nur Makler. Ich bin auch Sachverständiger für Immobilienbewertung. Was ja nun (wenn auch solche Schwachsinns-Soaps wie „Mieten, Kaufen, Wohnen“ etwas Anderes suggerieren) durchaus Zusammenhänge aufweist.
Und bitte: ich verstehe den Unmut. Bei jedem Interessenten muss sich doch die Faust in der Tasche ballen, wenn er für das (von ihm allein wahrnehmbare) Öffnen einer Tür und 20, vielleicht 30 Minuten im Objekt der Begierde dann eine Rechnung erhält, die in keinem Verhältnis dazu zu stehen scheint. Und tatsächlich will es auch logisch erscheinen, dass der vermietwillige Eigentümer die Musik bezahlt, die er doch scheinbar bestellt hat. So weit die landläufige Meinung.
Wären da nicht so manche Ungereimtheiten. Hast Du schon mal ein Auto bei einem Händler gekauft, aggripnensis? Ein Abo abgeschlossen, einen Kreditvertrag, vielleicht einen Sparvertrag, einen Versicherungsvertrag? Such mal im Kleingedruckten (sofern denn eine gesetzliche Ausweispflicht besteht; das ist nicht überall so) und beantworte eine einzige Frage: wer bezahlt den jeweiligen Vertreter, Verkäufer, Vermittler letzten Endes?
Ja, davon bekommst Du als Endkunde nichts mit. Wenn Du aber mal einen Blick in einen langfristig orientierten Sparvertrag wirfst, einmal anschaust, was für einen dicken Brocken die Provision des Vermittlers Deiner Lebensversicherung ausmacht - alles was Recht ist, aber das ist auch eine Nummer für sich. Zumal ja (bei sog. „freien Vertretern“) wiederholt administrative Klimmzüge gemacht werden (müssen?), um nicht etwa eine Scheinselbständigkeit zu bewirken. Und dabei wühlen die Leutchen oft genug "nur" online im System einer großen Gesellschaft herum, ohne jedoch - abseits der rechtlichen Erfordernisse - wirklich unabhängig von Dieser zu sein.
Wieso wird das nicht kritisiert, aggripinensis? Ja, eine rhetorische Frage: weil es kaum wahrgenommen wird. Keine Rechnung, also ist es "kostenlos". Wer liest denn wirklich das Kleingedruckte? Und schon geht es dem Publikum am Sitzfleisch vorbei. Kritiklos werden da die Raten oder der Kaufpreis bezahlt. Die Vertriebskosten, wie auch immer strukturiert, zahlt in letzter Konsequenz der Kunde!
Moment mal - dem gleichen Publikum, dem die Rechnung eines Immobilienmaklers als Frechheit oder was auch immer erscheint, geht das Alles irgendwo hinten vorbei???
Aber nun etwas ganz Anderes. Du zitierst das Grundgesetz. Eigentum verpflichtet. Auch unsere Gerichtsbarkeit ist dem natürlich verpflichtet. Und gerade die Handhabe, die Du hier kritisierst, wurde von höchstrichterlicher Stelle als korrekt bewertet. Dies ist nun einmal Fakt - und über bestehendes Recht hinweg wird ein Gesetz verabschiedet, dasdieser Rechtsprechung entgegen steht? Unser Bundesverband, am Bundestag akkreditierte Interessenvertretung der Immobilienwirtschaft, hat zwar immer Änderungen angemahnt, diese Diskrepanz aber scharf verurteilt. Wieso?
Stell Dir vor, Du gehst einkaufen. Dir ist der Kaffee ausgegangen (für mich eine Katastrophe!). Du gehst zum Händler Deiner Wahl und siehst Dir die Auslage an. Du entscheidest Dich für „Hempelmanns Feinste Mischung, koffeinfrei, gemahlen, 500 g, vakuumverpackt“. Dieses Päckchen legst Du der Kassiererin auf’s Band. Nichts Ungewöhnliches, oder?
Aber, große Frage: wer ist hier der Anbieter? Nach landläufiger Meinung bietet der „Laden“ etwas an. „Die haben da ein ganz tolles Angebot!“ rutscht auch mir heraus, wenn ich den türkischen Gemüsehändler nebenan vor Augen habe. Allein: das ist falsch! Wie auch die Auslage im Kaffeeregal oder das, was mein Gemüsehändler im Schaufenster oder auf dem Gehsteig präsentiert: hier greift seit Jahrhunderten etabliertes altes römisches Recht, das auch in unserer aktuellen Gesetzgebung stets und überall seinen Niederschlag findet. Ein Angebot richtet sich an eine bestimmte Person - solche Auslagen richten sich „an Jedermann“, die Allgemeinheit. Ziel ist, aus der Gruppe aller Interessierten, der Allgemeinheit, Angebote zu generieren; die Juristen sprechen von „Invitatio ad offerendum“, der „Einladung zur Abgabe eines Angebots“. Liebe agrippinensis, tatsächlich bist nämlich DU es, der dem Händler (unter Inanspruchnahme der Kassiererin) durch das Auflegen des Kaffeepäckchens ein Angebot für ein Geschäft unterbreitest. DU bist Initiator des möglichen Kaufvertrags. Und damit bist DU es, der die Musik bezahlen muss. DU, der Du keinen Einfluss darauf hattest, dass es gerade diese Verkäuferin ist, die Dein Geld entgegen nimmt, dass der Betreiber des Geschäfts eine aufwändige und teure Deko innen und außen angebracht hat, dass der Betrieb auch dann aufrecht erhalten wird, wenn gerade mal keine Kunden im Geschäft sind. Auf nichts davon kannst Du Einfluss nehmen. Allenfalls, wenn Dir da etwas nicht zusagt, gehst Du zum nächsten Geschäft. DEINE Entscheidung, im ersten Laden kein Vertragsangebot zu machen und stattdessen das Geschäft 50 Meter weiter auszuwählen.
Und ganz genau so hat der BGH vor gar nicht allzu langer Zeit entschieden, als ein Mieter ob der erhaltenen Rechnung mit vergleichbarer Argumentation wie der Deinen alle Instanzen durchlaufen hat, bis es zu diesem Grundsatzentscheid kam. Der einzige Unterschied zum klassischen Vertragsablauf ist, dass wir verpflichtet sind, unsere Angebote eindeutig als provisionspflichtig auszuweisen. Kommt daraufhin eine Anfrage im Büro an, so bedeutet das ein Vertragsangebot seitens des Mietinteressenten, eben auch der Provisionsverpflichtung. Und genau so, wie dies bei einem Ladeneinkauf der Fall ist: wenn Du Dich dann gegen die vorgestellte Immobilie entscheidest, wird man Dir keine Rechnung stellen. Dies, obwohl Du eine separate Dienstleistung in Anspruch genommen hast. Versuch das mal bei Deinem Anwalt, wenn Du beraten werden möchtest, ob in einer bestimmten Angelegenheit ein Rechtsstreit Aussicht auf Erfolg hat.
Die gängige Erfahrung zeigt, dass im Durchschnitt ca. 20 Besichtigungstermine erforderlich sind, bis eine Immobilie einen passenden Meter findet. Was im Umkehrschluss mit sich bringt, dass da vielleicht zuvor 19 Kollegen anderer Büros andere Immobilien vorgestellt haben, ohne dass daraus ein Vertrag zustande gekommen wäre. Die sind kostenlos für Dich aktiv gewesen. Da erhebt niemand Einwände. Und persönlich sehe ich mich bei einer Besichtigung in der Rolle des Betreibers eines Ladens, der die Auslage vorstellt in der Hoffnung, dass der Salat den Zuspruch der Hausfrau findet. Hüben wie Drüben steht und fällt Alles mit der Entscheidung des interessierten Kunden. Aber weil im Falle einer Immobilie der „interessierte Kunde“ nun mal Mieter heißt, gilt anderes Recht?
Sehr juristisch angehaucht, sehr technisch, ja. Mea culpa - oder doch nicht „mea“? Die Antwort fällt „juristisch“ aus, da Du es doch warst, der sich auf geltendes Recht beruft. Selbst hier greift auf verkappte Weise das „Invitatio ad offerendum“. Aber verlassen wir nun, soweit möglich, die rechtliche Ebene (wenn das auch nicht möglich ist). Zur Praxis (und auch die greift wieder eine Rechtsfrage auf):
das geltende Recht fußt auf dem Wohnraumvermittlungsgesetz von 1971. Dieses wurde seinerzeit initiiert, um den „galoppierenden Mieten“ entgegen zu wirken. Es sollte vermieden werden, dass sozial schwächere Mietinteressenten durch in die Kaltmiete einkalkulierte Vertriebskosten unnötig belastet würden. Heute, 43 Jahre später, vollzieht man mit der gleichen Begründung eine 180-Grad-Kehre?
Und was ist die Konsequenz? Ca. 80 Prozent „unserer“ Eigentümer verlang(t)en bisher Mieten unter (!) den Möglichkeiten des Mietspiegels. Unabhängig vom grundsätzlichen Schwachfug der zeitgleich beschlossenen „Mietpreisbremse“: diese Konstellationen lassen immer noch Luft für Mieterhöhungen. Geplant waren die zwar nicht. Aber erstens hat das Hickhack um die „Mietpreisbremse“ einige der Eigentümer bereits zu einer außerordentlichen Preisrunde veranlasst. Weiterhin hat man uns deutlich zu verstehen gegeben, dass man unsere Arbeit auch in Zukunft in Anspruch zu nehmen gedenkt. Was ist also zu tun in einer Welt, in der etwa 30 % aller Eigentümer angesichts einer Vielzahl oft unsinniger Auflagen und einer äußerst eigentümerfeindlichen Rechtsprechung im Einzelfall (gnade Gott dem Eigentümer, dessen Mietstreitigkeit von einem Richter verhandelt wird, der selbst Mieter ist) schon jetzt nicht mehr kostendeckend zu vermieten vermögen? Eben die Einpreisung unserer Vertriebsrechnungen in die Kaltmieten (also genau da, was das ’71er Wohnraumvermittlungsgesetz unterbinden wollte)! Dies geht einher mit der (auch jetzt und schon lange rechtskonformen) Vereinbarung des gegenseitigen Kündigungsverzichts für die Dauer von bis zu 4 Jahren. Glückauf dem Mieter, der vielleicht nach 2 Jahren Mietdauer die Liebe seines Lebens findet, in einer größeren Wohnung zusammen ziehen möchte und dann noch 1, 2 Jahre den Mietvertrag einer im Grunde nicht mehr benötigten Wohnung am Halse hat.
Die ungeliebten Staffelmietverträge werden eine Renaissance erleben (die sind von der Mietpreisbremse nicht betroffen). Was wird wohl aus den Angeboten bei meiner früheren Vermieterin, die ihre Mietpreise trotz erklecklicher Investitionen in ihr Haus seit 2009 (solange ich sie kenne) stabil gehalten hat?
Nun ja, agrippinensis, Du stellst auch die Frage nach der „Arbeitsunlust“ des Eigentümers. Wo aber steht geschrieben, dass man sich nicht fremder Hilfe bedienen kann und welchen Einfluss hat das auf geltendes Recht?
Wie man es dreht und wendet: wenn das „Bestellerprinzip“ in Kraft tritt, ist es für Wohnungssuchende vorbei mit der jetzt noch gegebenen Möglichkeit, von provisionspflichtigen Angeboten Abstand zu nehmen. Diese Menschen sind dann nicht einmal mehr meine Kunden! Ich werde zum Erfüllungsgehilfen des Eigentümers und vertrete nur noch (!) dessen Interessen. Und im Gegensatz zur bisherigen Handhabe, bei der die Inanspruchnahme provisionspflichtiger Angebote zugleich als starkes Indiz für die Solvenz des Kunden galt, wird man nun ganz besonders intensiv nachforschen. All dies Dinge, zu denen vielen Eigentümern Mittel und Wege nicht gegeben sind. Und haben sie erst einmal eine Laus im Pelz sitzen, ist es ein Heidendrama, diese wieder los zu werden und zumeist mit erklecklichen Einbußen verbunden. Auch das ein Grund für viele Eigentümer, einen Makler zwischenzuschalten. Zumal auch erwartet wird, dass wir die sich ständig (und zumeist zu Lasten der Vermieter) ändernde Rechtsprechung kennen und sichere Verträge abzuschließen vermögen. Du sagst ganz richtig: die meisten Vermieter haben genug Anderes um die Ohren.
So haben wir nun schon erste, zunächst nicht einmal geplante Mieterhöhungen hinter uns, und weitere werden folgen. Und wird es die Mieter treffen, denen es im Prinzip gleich sein kann, ob ihre Bude nun 1.400 € oder 1.600 € kostet? Wohl kaum. Es trifft die „kleinen Leute“ - also eben die, denen man zu „helfen“ vorgibt. Und vor allen Dingen: sagen wir mal, nach 3 Jahren hat sich für den Vermieter die Rechnung des Maklers amortisiert. Wer ist so naiv zu glauben, dass nun die Miete entsprechend gesenkt wird? Von wegen! Die Eigentümer werden für diese „kalte Mieterhöhung“ dankbar sein, bedeutet doch eine jede Erhöhung stets einen Unsicherheits- und Unruhefaktor und birgt zudem das Risiko endloser und entnervender Auseinandersetzungen mit dem Mieterbund? Der Mieter zahl de facto den Makler weiter. Auch in den Fällen, bei denen ohne Makler vermietet wurde - denn ohne Auswirkung auf das allgemeine Mietpreisniveau wird das nicht bleiben.
Du hast mit Deinem abschließenden Satz vollkommen Recht: Mieter sind keine Dukatenesel. Da bin ich bei Dir! Nur: Vermieter sind es auch nicht. Und es ist nun einmal trauriger und nachweisbarer Fakt, dass sich die Steuer- und Abgabenbelastung seit Mitte der 60er Jahre (also nur recht kurze Zeit vor Inkrafttreten des Wohnraumvermittlungsgesetzes) verzwanzigfacht hat. Wo siehst Du nun die Hauptschuld, wenn im Geldbeutel immer weniger hängen bleibt? Die Mieten sind moderater gestiegen. Deutlich moderater! Was aber in so mancher Argumentation keinen Eingang findet. Da „verpflichtet“ Eigentum. Ich habe aber eine ganze Reihe Eigentümer kennen gelernt, die ihre Immobilien abgestoßen haben, ehe sie von Ihrem Eigentum „vernichtet“ wurden.
Denn egal, was das Grundgesetz aussagt: niemand ist verpflichtet, eine Wohnung zur Miete anzubieten. Wie und durch wen auch immer.
Untergang des Abendlandes, Mieterelend usw.? Nein, so weit kommen wir nicht. Aber einmal mehr greift der Gesetzgeber in ein funktionierendes System von Angebot und Nachfrage ein. Ein Wahlgeschenk, das letztlich (über ein nun steigendes Mietniveau, vergiss die Mietpreisbremse) von Allen zu bezahlen ist. Und dessen Ausprägungen geltendem Recht widersprechen, die verfassungsrechtlich (also worauf Du Dich berufst) zweifelhaft sind.
Wir sehen eine lange Reihe von Streitigkeiten voraus, bis die Rechtslage sich eingependelt hat und wieder Rechtssicherheit besteht. Mag sein, dass die Dinge so zurecht gebogen werden, dass die angeblich so wünschenswerte Entwicklung bestätigt wird. Dann geht man eben vor wie zuvor beschrieben. Zu Lasten der Mieter. Oder aber der ganze Sermon wird gecancelled. Dann wird man in 3, 4, 5 Jahren wieder zur alten Praxis zurückkehren können. Vielleicht. Aber selbst dann wird ein im Grunde vermeidbarer Preisschub lange Fuß gefasst habe und Grundlage ab dann wieder nach jetzt bekanntem Schema abgeschlossener Mietverträge sein. Auch das zu Lasten der Mieter. Wem bringt es etwas - das Eine wie das Andere?
Soll ich Dir nun noch erläutern, wie sehr unser Verband darum gekämpft hat, dass der Gesetzgeber endlich eine klare Regelung auf die Beine stellt, die Immobilienmaklern wenigstens eine Sachkundeprüfung abverlangt? Und noch immer predigen wir tauben Ohren. Ja, uns seriösen Mitgliedern der Zunft gehen die Säcke ohne Ahnung und Verstand auch auf den Senkel, wenn sie am Ende noch nicht einmal bei der Besichtigung vor Ort sind und stattdessen die noch in der Wohnung anwesenden Mieter mit Terminen und der Forderung der Führung ausgehändigter Interessentenlisten beauftragen. Da geht mir der Hut hoch! Und das ist vielleicht der einzige Vorteil des Bestellerprinzips: diese Galgenvögel werden sich nicht halten können.
Aber das hätte man billiger haben können. Und besser. Aber wer hört schon auf die Makler?
Klar doch: wer braucht die schon? Dann setz Dich bitte mal eine Woche zu mir ins Büro. Aber bitte nicht mit der Vorstellung, eine Live-Version von „Mieten, Kaufen, Wohnen“ verfolgen zu können.