Buch oder Film, zuerst lesen oder zuerst ansehen?
Einfache Faustregel: Mit dem anfangen, was zuerst da war.
Wenn der Film am Anfang steht, ist es keine Frage, dass man zuerst den Film sieht. Das anschließend veröffentlichte "Buch zum Film" kann man sich meist schenken. Da es ist lediglich ein Drehbuch mit Zwischentexten ist, bleibt es notwendig hinter der filmischen Umsetzung zurück. Beispiel: Luhrmanns Shakespeare in Love. Ein absolut gelungener Film. Aber wer will die Filmdialoge nachlesen? Wobei die Leküre des Buches in diesem Fall die Einsicht vermitteln würde, wie weitreichend die Dialoge von Shakespeare übernommen wurden. Wenn der Leser denn Shakespaere gut genug kennt.
Bei Romanverfilmungen ist das anders. Da ist zuerst der Roman, der mit sprachlichen Mitteln eine Geschichte erzählt. Der Leser lässt seine Phantasie spielen, stellt sich Orte und Personen vor, die in seinem Kopf Gestalt gewinnen.
Der Film überträgt die Geschichte in ein anderes Medium. Wird im Roman eine Landschaft beschrieben, der Film zeigt sie. Seine Bilder und Figuren sind konkret, er interpretiert den Text, legt ihn fest. Wer zuerst den Film sieht, kommt von den Schauspielern und den Filmorten nicht mehr weg. Wenn man anschließend das Buch liest, sind die fremden Bilder schon da, man liest mit den Augen des Filmregisseurs.
Ein Film, der ein Buch nacherzählt, ist ein schlechter Film, denn er nutzt die filmischen Mittel nicht. Beispiel: Die Blechtrommel. Da wollte man möglichst nah am Wotlaut von Grass bleiben und im Film musste ein Erzähler aus dem Off Grass rezitieren. Das ist kein Film, sondern ein Hörbuch mit Bildern.
Eine gelungene filmische Umsetzung: Homo Faber. Der Film nimmt eine andere Wendung als der Roman von Max Frisch, mit Einverständnis des Autors. Er hat das Drehbuch abgesegnet. Trotzdem gefällt vielen der Roman besser.
Ob Film oder Buch, man muss sich darauf einlassen, konsumieren, wie ich kürzlich las, passt zwar in unsere Zeit, verschafft aber letztendlich nur den Status des kulturbeflissenen Mitbürgers.