Der Fall Pezzoni

  • Anfang des Monats wurde publik, dass der FC-Spieler Kevin Pezzoni von einigen Ultras so massiv bedroht wurde, dass er sich in Köln nicht mehr sicher fühlte.


    Der Verein spielt in dieser Sache erkennbar falsch. Spontane Reaktionen legten nahe, dass sehr wohl ein Zusammenhang zwischen der Bedrohung und der Vertragsauflösung bestand. Dass sie, wie behauptet, auf Wunsch von Pezzoni stattfand, hatte Jürgen Klopp recht deutlich bezweifelt ... diesen "Vorwurf" aber später abgeschwächt.


    Wenn auf Wunsch des FC InternetSeiten gelöscht werden, auf denen die Ultras sich rühmen, Pezzoni aus der Stadt vertrieben zu haben ... und der nächste, der dran sei, stehe schon fest ... dann ist das Problem nicht durch Löschung einer Seite zu lösen! Da muss man Farbe bekennen und nicht verkünden, eine reale Bedrohung Pezzonis sei für den Verein nicht nachvollziehbar gewesen. Den Vertag löst man also auf, weil Pezzoni ein Weichei ist, der sich Bedrohungen einbildet, oder wie?



    Dass muss man wóhl annehmen, wenn die Vereinsführung unbeirrt behauptet, alles für Pezzoni getan zu haben und jetzt sogar gerichtlich gegen ihn vorgeht, wenn er in Interviews sagt, der Verein habe ihn im Stich gelassen.


    Zuerst Pezzoni zu entlassen und die Spieler anschließend einen Aufruf zu Toleranz und gegen Gewalt verkünden zu lassen, ist bigott! Mit Pezzoni hätte man das tun müssen.


    Die Vereine müssen sich entscheiden, wie weit sie ihre gewaltbereiten Ultras -die aus meiner Sicht keine FußballFans sind- weiterhin hofieren wollen. Ja, als Kunden bringen sie Geld und sie sorgen auch für Stimmung im Stadion. Wenn man deshalb allerdings hinnimmt, dass sie auch Flaschen werfen, bengalische Feuer zünden und damit einen Spielabbruch riskieren, wird die Geschichte für mich sehr fragwürdig.


    Fouls müssen geahndet werden. Spieler sollten so konsequent sein, sich nach einem Spiel nicht vor der Fankurve zu verneigen, wenn von da Gegenstände aufs Spielfeld geworfen, oder bengalische Feuer gezündet wurden. Ansonsten nimmt man das Verhalten billigend in kauf ... und unterstützt es so.

  • Im KStA zum Thema gelesen:


    Schaden durch Pezzoni Trennung
    Erstellt 17.09.2012



    KSTA-Kolumnist Matthias Scherz Foto: Rainer Dahmen


    Auch ksta-Kolumnist Matthias Scherz beschäftigt sich mit den Folgen der Vertragslauflösung von Kevin Pezzoni. Es ist nicht das erste Mal, dass die Fans Stimmung gegen einen FC-Profi gemacht haben. In der Saison 2001/02 wurde Christian Springer aus dem Stadion gepfiffen.
    Köln.
    Lieber Herbert Neumann,
    der Fall Pezzoni hinterlässt negative Spuren! Wer hat denn nun den Anstoß zur Vertrags-Auflösung gegeben? Pezzoni oder der 1.FC Köln?
    Ich stimme dir zu, außer Kevin Pezzoni weiß niemand, was genau vorgefallen ist. Ich kann Kevin jedoch verstehen, dass er in einer für ihn schwierigen sportlichen Situation Rückendeckung vom Verein fordert, und bin mir sicher, dass sich das schon viele Spieler vor ihm in ähnlichen Situationen gewünscht haben.
    Ich erinnere mich an dieSaison 2001/2002 – Christian Springer hatte im Heimspiel gegen Hertha BSC Marco Rehmer gefoult, der daraufhin ausgewechselt werden musste.
    Danach wurde Christian von den eigenen Fans ausgepfiffen. Ja, von eigenen Fans! Schon immer wurde mal Stimmung gemacht gegen eigene Spieler. Rückendeckung vom Verein? Damals wie heute blieb sie oft aus ...

    Wenn man den nur selten richtigen Satz, „früher war alles besser“, bemühen möchte, dann nur in einem Punkt: Es gab keine
    sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter, über die man innerhalb von 60 Sekunden eine Hetzjagd auf Menschen eröffnen kann.

    Aber die wichtigste Rolle im Fall Pezzoni spielt der 1. FC Köln. Nicht weniger als sechs Personen haben ihre Meinung zu diesem Thema kundgetan: HolgerStanislawski, Jörg Jakobs, Frank Schaefer, Claus Horstmann, Werner Spinner und Toni Schumacher – und sie alle widersprachen sich über die Tage. Wie kann das passieren?
    Ein Beispiel:
    Jörg Jakobs beklagt „dass der Verein einige Gründe der Vertragsauflösung nicht kommuniziert hat“. Warum nicht? Präsident
    Spinner hat einen transparenten 1. FC Köln versprochen. Wo war die Transparenz im Fall Pezzoni?
    Was ich sehe, ist ein durch diese Außendarstellung deutschlandweit beschädigter FC. Am Ende wieder mal den Medien die Schuld zu geben ist zu einfach, denn alles, was geschrieben wurde, wurde ja auch gesagt, und es ging ja nicht um Nuancen in den Zitaten. Wenn der FC ehrlich ist, liefert er allein die Informationen für negative Berichterstattung. Wie sich das auf das junge Team auswirkt, wird man sehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich schnell das Gefühl einstellt: Alles ist wichtiger als Fußball.


    Keine Distanzierung von Gewalt
    Erstellt 23.09.2012

    Mitglieder der Wilden Horde randalieren bei einem Spiel gegen Bayern.
    Archivbild Foto: Stefan Worring


    Die Fußball-Ultra-Gruppierung Wilde Horde lehnt es einem Medienbericht zufolge ab, sich von Gewalt zu distanzieren. Die Kölner Gruppe schließt auch eine Kooperation mit der Polizei aus. Die Wilde Horde ist die größte der Ultra-Gruppen rund um den FC.
    Köln.
    Die Kölner Ultra-Gruppierung „Wilde Horde“ hat eine Distanzierung von Gewalttaten abgelehnt. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (Montagausgabe) zitiert dazu Stephan Schell (32), einen der „Capos“ (Wortführer) der Wilden Horde: „Sich von Gewalt zu distanzieren, ist Heuchelei“.

    Die Wilde Horde ist mit rund 800 Mitgliedern die größte der Ultra-Gruppen rund um den 1. FC Köln. Schell sagte, die Horde
    habe mit „organisierten Straftaten nichts zu tun.“ Sie sei auch nicht in den Fall Kevin Pezzoni verwickelt. Einen Dialog mit der Polizei werde es für die Horde niemals geben.

    Auf Stadion-Parkplatz angegriffen
    Volker Lange, Polizei-Oberrat und seit zwei Jahren Chef bei den Einsätzen im RheinEnergie-Stadion, bestätigte das: „Ultras labern nicht mit Bullen“.
    Lange und sein Stellvertreter Ralf Remmert waren im Februar auf einem Stadion-Parkplatz von Mitgliedern der Wilden Horde angegriffen worden.
    „Sie sind auf ihm rumgesprungen, als wollten sie ein Feuer austreten,“ berichtete Lange über den Angriff auf den Kollegen.

    Über die Kölner Polizeistrategie im Zusammenhang mit den Ultras sagte der 51 Jahre alte Lange dem „Spiegel“: „Die Hand, die man reicht, kann auch zurFaust werden. Es ist ganz einfach: Keine Straftaten, kein Problem. Das ist wie bei der Kinder- und Hundeerziehung: Man muss Grenzen aufzeigen.“
    DerFC-Fanbeauftragte Rainer Mendel sagte, die Gewalt der Kölner Ultras habe nicht zugenommen: „Nur in den extremen Ausprägungen gibt es Veränderungen.“
    Die Linie des Klubs sei: „Straftaten dulden wir nicht. Decken wir nicht. Zeigen wir selbst an.“
    (ksta)

  • Gewalt ist kein Problem des Fußballs. Dieses Spiel ist lediglich zur Plattform für gesellschaftliche Gewalt geworden. Früher durfte man seinen Frust im Namen Gottes oder des Vaterlandes ablassen und in unserer modernen Gesellschaft macht man das im Namen seines Vereins. Warum der FC sich um Gewaltprobleme kümmern soll erschliesst sich mir nicht. Das der Fußball überhaupt ständig zu Toleranz und Gewaltverzicht aufrufen soll ist unsinnig. Wenn man die Gewalttäter aus dem Fußball tatsächlich entfernen würde, dann würden sie eben woanders auftreten. Dem Fußball die Schuld in die Schuhe zu schieben ist nur eine bequeme Methode für die Mehrheits-Gutmenschen sich diesem Problem nicht selbst annehmen zu müssen. Sollen es doch andere für sie lösen. Faules Menschenpack.


    Die Vereinsführung des FC sollte sich auch am besten komplett dort raushalten. Es ist nicht Aufgabe eines Fußballvereins gegen Gewalt vorzugehen. Die sollten sich lieber um das Sportliche kümmern. Da haben sie mehr Felder zu beackern. Die Gewaltdebatte wird mir viel zu oft vorgeschoben um von den eigenen Problemen und dem Versagen in der Vereinsführung abzulenken. Hätte man im sportlichen und wirtschaftlichen Bereich seine Hausaufgaben gemacht, hätten die Ultras auch viel weniger Gründe gehabt Gewalt auszuüben und den Spielbetrieb zu stören. Dann würde man das Problem nun anderen Vereinen anheften können.


    Warum werden eigentlich auch immer die Spieler in Schutz genommen? Die sind doch die Hauptakteure. Diejenigen, die nicht ihre Leistung bringen, denen es nur um ihre Kohle geht, die Vorbilder sein wollen, aber statt Werte zu vermitteln nur dumm rumlabern können. In den Medien ist es verpöhnt deren dekadente Mentalität zu kritisieren. Man haut lieber auf die paar gewaltbereiten Fans ein. Da haben wir unsere Sündenböcke, das beruhigt bekanntlich das eigene Gewissen. Warum spricht man nicht genauso davon, was Pezzoni eigentlich falsch gemacht hat, denn das hat er doch. Sind Fußballer etwa immer im Recht gegenüber ihren Fans?
    Diese Spieler verdienen ein Gehalt und führen ein Luxusleben, von dem fast jeder Zuschauer auf den Tribünen sein Leben lang nur träumen kann. Trotzdem haben sie manchmal nichts Besseres zu tuen, als diejenigen zu enttäuschen, die sie über alles verehren. Nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch in menschlicher. Da gibt es Treuebekenntnisse und Liebesbekundungen, und am Ende verlässt man den Verein doch nur wegen unterschiedlicher Gehaltsvorstellungen. Was soll sowas? Wieso wird so ein Verhalten nicht kritischer in der Öffentlichkeit angeprangert?


    Ein Ultra ist nicht grundlos ein Ultra geworden. In den meisten Fällen hat er tatsächlich nichts anderes im Leben, was für ihn noch von Bedeutung ist, außer die Fangemeinschaft und seinen Verein. Das ist für ihn ein und alles. Die Gründe ein Ultra zu werden sind vielseitig, sie kommen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten und Familienverhältnissen. Da gibt es nicht das klassische Profil der miesen Kindheit, selbst wenn das bei dem ein oder anderen zutreffen mag. Ultras eint der Gedanke an eine andere Welt mit anderen Werten, etwas was mehr ist als der blosse Materialismus, was das einzige zu sein scheint, daß in unserer Gesellschaft noch zählt. Sie sehnen sich nach bedingsloser Gemeinsamkeit, nach Ehrvorstellungen, nach Idolen. Dafür sind sie auch bereit alles zu geben, was die materielle Welt für sie hergibt. Sie verzichten auf Luxus um ihren Verein zu unterstützen, geben teilweise ihren letzten Euro aus um ihren reichen Idolen den Lebensstandard zu finanzieren.
    Und dann kommen solche Typen wie Pezzoni, bringen ihre Leistung nicht, haben keinen Bock sich auch mal aufzuopfern für das Wohl des Vereins oder der Fans. Können nur rumjammern und in Selbstmitleid zerfliessen. Reue heisst für sie sich in Interviews für die eigene Lustlosigkeit zu entschuldigen. Das ist immer dummes Geschwätz. Jedem war doch bekannt in welcher Lage sich der Verein befand und befindet. Wieso ist man dann nicht mal in der Lage auch wirklich Reue zu zeigen? Soll doch mal einer von den Versagern freiwillig auf ein Monatsgehalt zu Gunsten des Vereins verzichten. Das wäre mal ein Zeichen, daß man es wirklich ernst meint, daß man die Fans wirklich so liebt, daß man ihnen diesen Respekt auch erweisen kann. Verdienen sollten sie ohnehin genug, daß sie davon nicht verhungern werden. Aber das ist wohl heutzutage zuviel verlangt. Da soll man sich noch wundern, wenn so mancher enttäuschter Fan, der selber viel mehr für den Verein gegeben hat, obwohl er weitaus weniger geben konnte, ausrastet und gewalttätig wird.



    Die Vereine müssen sich entscheiden, wie weit sie ihre gewaltbereiten Ultras -die aus meiner Sicht keine FußballFans sind- weiterhin hofieren wollen.


    Ein typischer Medienspruch. Was willst du mit dieser Floskel erreichen? Ich wüsste nicht, daß man gewaltbereite Ultras jemals dadurch beschwichtigt hat, daß man sie als Unfans diffamiert, das man sie in den Medien als Chaoten oder Idioten hinstellt. Das führt doch nur zum Gegenteil, nämlich das man diese Fans immer weiter provoziert dank der undifferenzierten Berichterstattung. Das ist selbstverständlich journalistisches Kalkül, denn über friedliche Fans kann man keine Schlagzeilen machen. Das liest niemand.
    Es mag ja durchaus sein, daß Ultras größtenteils aus dummen Idioten bestehen, denen es selbst noch erheblicher an moralischer Differenzierung mangelt. Aber wieso sollen sie deswegen keine Fans sein? Müssen echte Fans einen bestimmten IQ vorweisen? Kann man nicht ein Fan sein und trotzdem gewaltbereit sein? Wieso muss das eine das andere ausschliessen? Das hat mir noch nie jemand erklären können.


    Ultras sind vielleicht sogar die "echtesten" aller Fans. Sie haben den Verein nicht nur in ihrem Herzen, sondern auch in ihren Hoden. Notfalls opfern sie sogar ihre Unversehrtheit und ihre Freiheit für den Verein. Wer ist dazu schon bereit? Das dies letztendlich kontraproduktiv ist, zumindest in materieller Hinsicht, verstehen sie nicht oder interessiert sie vielleicht auch nicht. Trotzdem kann man selbst für den dümmsten Idioten auf der Welt Empathie empfinden. Gerade bei jemanden, der simple Gedankengänge hat, sollte das doch besonders gut gelingen, nicht wahr?

  • Dass du dich für die Ultras ins Zeug legst, gefällt mir, Heinz: Die andere Seite der Madaille, die man nicht übersehen darf.


    Ich zweifle auch nicht daran, dass die Vereinsführung des FC Murks gebaut hat. Das war zu offensichtlich. Wenn ein abgehalfterter Petit für eine Million auf der Bank sitzt, läuft etwas falsch. Für das Gehalt würde ich allerdings auch gerne auf der Bank sitzen.


    Die neue Vereinsführung macht es grad nicht viel besser.


    Wir verdanken es dem Kapitalismus, dass Stars, nicht nur Fußballspieler, überbezahlt sind. Die These, dass derjenige, der reich ist, eben auch härter gearbeitet hat, ist ein Ammenmärchen ... selbst wenn sie immer wieder mal erstaunlich ernsthaft vorgetragen wird.


    Speziell beim Fußball schürt die einschlägige Presse die Aggression gegen überbezahlte Söldner, die sich schon dehalb angeblich nicht für den Verein richtig einsetzen, weil sie überbezahlt "eingekauft" wurden.


    Ich hab noch keine erregten Diskussionen über das Gehalt von Schumacher erlebt -der wurde auch von Mercedes gekauft- wenn er nicht auf dem Treppchen landete. Als Gottschalk -gekauft für allerlei Werbezwecke- für zwei Stunden Dampfplauderei 1000 € einsackte, war das auch kein Thema, oder ich hab es verpasst.


    Letztendlich ist für mich aber entscheidend, dass der Frust der Ultras zwar erklärlich ist, aber dadurch Gewalt nicht legitimiert wird. Gerade weil Gewalt ein gesellschaftliches Problem ist, muss man ihr überall da entgegentreten, wo sie das menschliche Miteinander in Gefahr bringt.


    In der öffentlichen Diskussion wird der Gewalttäter fälschlicherweise meist als Unmensch verteufelt ... da liegt für mich der Fehler beim Umgang mit der Gewalt. Wenn nur "kranke Spinner" Amok laufen oder hirnige Ultras im besoffenen Kopp ausrasten, klammert man das Gewaltproblem de facto aus .... betrifft Otto Normalverbraucher ja nicht.

  • Gerade weil Gewalt ein gesellschaftliches Problem ist, muss man ihr überall da entgegentreten, wo sie das menschliche Miteinander in Gefahr bringt.


    Richtig. Und da ist es schwer zu verstehen, dass Gruppierungen wie die "Horde" Privilegien zugestanden bekamen als wäre nix passiert. Erst nach langem zaudern, als es wirklich zu peinlich wurde, beschloss der FC ihnen diese zu entziehen. Ein völlig falsches Signal war zusätzlich noch ein Poldi, der mit Fahne der "Horde" durchs Stadion läuft. Da fühlen sich die Irren noch bestätigt. So was kann der FC seinem Angestellten untersagen. Wenn er will.

    n der öffentlichen Diskussion wird der Gewalttäter fälschlicherweise meist als Unmensch verteufelt ... da liegt für mich der Fehler beim Umgang mit der Gewalt. Wenn nur "kranke Spinner" Amok laufen oder hirnige Ultras im besoffenen Kopp ausrasten, klammert man das Gewaltproblem de facto aus .... betrifft Otto Normalverbraucher ja nicht.


    Unmensch ist sicher der falsche Ausdruck. Dafür gibt es zuviele davon. Wiederum gibt es aber zu wenige davon, als dass es Otto Normalverbraucher direkt betrifft. Die überwiegende Mehrheit schafft es ohne andere Menschen zu verletzen durchs Leben. Das Problem beginnt, wenn nicht konsequent gegen Gewalttäter vorgegangen wird. In einem Klima von "ist nicht so schlimm" und "passiert mir ja nix vor Gericht", werden die Taten zunehmen.


  • Ich hab noch keine erregten Diskussionen über das Gehalt von Schumacher erlebt -der wurde auch von Mercedes gekauft- wenn er nicht auf dem Treppchen landete. Als Gottschalk -gekauft für allerlei Werbezwecke- für zwei Stunden Dampfplauderei 1000 € einsackte, war das auch kein Thema, oder ich hab es verpasst.

    Wir können uns natürlich ausschweifend über soziale Ungerechtigkeiten unterhalten, im Fußball ist das aber nochmal eine andere Sache, weil das Problem hier offensichtlicher wird. Wie ich schon beschrieb erhoffen sich viele moderne Menschen vom Fußball das alternative Wertesystem, was ihnen der allgemeingültige Materialismus nicht mehr gibt. Die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, das Ergefühl was vielen im heutigen Leben auch mangels Religionen fehlt, versuchen sie nun im Fußball zu finden. Wenn ein überbezahlter Fußballer nur seine Zeit faul auf der Bank absitzt und sich nicht gemäß seines Gehaltes für den Verein aufreibt, dann zerstört er damit die Werte, die Hoffnungen, das Konzept, das sich jene Fußballfans erwünscht hatten. Das ist wie Blasphemie und von daher erstmal nicht mit Gottschalk, Schumacher oder Ackermann vergleichbar.


    Letztendlich ist für mich aber entscheidend, dass der Frust der Ultras zwar erklärlich ist, aber dadurch Gewalt nicht legitimiert wird. Gerade weil Gewalt ein gesellschaftliches Problem ist, muss man ihr überall da entgegentreten, wo sie das menschliche Miteinander in Gefahr bringt.

    Ich sag ja nicht, daß Gewalttäter straffrei bleiben soll. Strafe muss sein. Nur wäre mir Prävention lieber und das schaffen wir mit der gesellschaftlichen Heuchelei, die vor jedem Fußballspiel der Gewalt symbolisch die rote Karte zeigt (geht es eigentlich noch peinlicher?). Das schafft nur weitere Ausgrenzung, aber keine Versöhnung mit denjenigen, die aus solchen gründen erst gewalttätig wurden.


    Wenn ein wohlhabender deutscher Gymnasiast, ein verwöhntes Einzelkind, aus lauter Langeweile einen unschuldigen Menschen an einer U-Bahn Haltestelle halb tot prügelt, wenn ein Familienvater Frau und Kinder erschiesst, weil er die Demütigung eines Seitensprungs nicht ertragen kann, wenn junge Mütter ihre neugeborenen Babys in Mülltonen schmeissen, weil sie sich überfordert fühlen (in einem der wohlhabendsten Ländern der Welt!), dann hat das auch alles nichts mit Fußball zu tuen, aber vielleicht trotzdem dieselbe Ursache, die ein gewalttätiger Hooligan auch hat.


    Eine Ursache, die von der Mehrheit unserer Gutmenschengesellschaft unbegründet geleugnet wird. Mit der Gewalt im Fußball hat man einen praktischen Sündenbock gefunden um von der restlichen Gewalt in der Gesellschaft abzulenken, um es ignorieren und sich nicht damit beschäftigen zu können. Dabei sollte man auch diese ignoranten Gutmenschen an den Pranger stellen, denn durch ihre Ignoranz machen sie sich allesamt zu Steigbügelhaltern für jene Gewalttäter.


    Aber gut, man sollte sich nicht mit Mehrheiten anlegen. Würde ich einen ähnlichen Beitrag in einem Forum eines Nachrichtenmagazines (egal welches) schreiben, würde man mich zensieren. Selbstverständlich ohne mir einen Grund zu nennen.

    Die überwiegende Mehrheit schafft es ohne andere Menschen zu verletzen durchs Leben. Das Problem beginnt, wenn nicht konsequent gegen Gewalttäter vorgegangen wird. In einem Klima von "ist nicht so schlimm" und "passiert mir ja nix vor Gericht", werden die Taten zunehmen.

    Das ist erstmal Spekulation. Denn obwohl wir ja anscheinend so eine "Kuschel"-Justiz haben, sind Gewalttaten seit Jahren rückläufig, zumindest nach den Statistiken der Polizei. Was zugenommen hat ist hingegen die Intensität der Gewalt. Wenn jemand zuschlägt, dann richtig. Selbst das härteste Gesetz der Welt wird nicht hundertprozentig Gewalt verhindern können, solange es nicht auch Verzweiflung zu verhindern weiß. Denn jeder, der nur verzweifelt genug ist, wird irgendwann ausrasten. Warum auch nicht? Ihm ist es in dem Moment absolut egal, daß er dafür vielleicht gefoltert, getötet oder eingesperrt wird. Das zählt in diesen Momenten nicht mehr.


    Menschen sind nicht durch Vernunft so gewaltlos und zahm geworden. In den meisten Fällen haben tatsächlich Gesetz und Strafen geholfen um zumindest Gewalt in Regelfällen zu unterbinden. Gewaltätig kann trotzdem jeder mal werden. Wenn der Mensch zB in Kriegssituationen einen Freifartschein vom Gesetz bekommt, sieht man schon viel häufiger sein wahres Gesicht. Da spielt man auch mal gerne seine Machtgefühle aus, wenn sich schonmal die Gelegenheit bietet. Da werden wehrlose Zivilisten erschossen, feindliche Soldaten aus Spaß gequält, die Frauen des Feindes gerne vergewaltigt.
    Und sobald jemand sich durch die Strafen des Gesetzes, und sei es nur für einen Moment, nicht mehr beeindruckt sieht, passiert so etwas eben auch in einer Zivilgesellschaft.
    Deswegen gibt es noch ein weiteres Mittel um den Menschen zu befriedigen: Ablenkung. Wenn man Menschen etwas anderes zu tuen gibt, haben sie es garnicht nötig gewalttätig zu werden. Sie sind mit etwas beschäftigt, was ihr ganzes Leben erfüllt. Der Kapitalismus hat da schon gut Abhilfe geschaffen. Wer sein ganzes Leben damit beschäftigt ist Geld zu verdienen und es auszugeben, der kommt auch weniger auf Gewaltgedanken. Viele Psychopathen, die früher wohl vielleicht Serienmörder geworden wären, sind dadurch ein funktionaler Teil der Gesellschaft geworden, zB als Unternehmensvorstände oder Investmentbänker.


    Diese Erfüllung gibt es aber nicht für alle. Um die letzten verbliebenen Gewalttäter zu zähmen müssen wir uns also nicht fragen, wie wir sie härter bestrafen. Fragen wir uns doch eher wie wir sie besser ablenken und inhaltlich erfüllen können? Dìe Antwort darauf würde Gewalt von Anfang an verhindern.

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