... oder: Wo bleibt der Kommentar?*
Seit meinem ersten Kommentar hier denke ich darüber nach, warum ich das eigentlich tue: mitreden. Ursprünglich wollte ich nämlich nur lesen, mich informieren darüber, was ein Blog überhaupt ist. Ich wollte mich gar nicht einmischen, nicht meinen "Senf" dazu geben.
Und trotzdem war er plötzlich da, der erste Kommentar ... und dann der zweite. Ich weiß es noch: Die Themen hatten mich gepackt. Heute würde ich sagen, der Blog hat mich gepackt, denn wenn man mitredet, wird plötzlich alles anders, man verfolgt die Reaktionen, wartet auf Widerspruch oder Zustimmung.
Sofort wurde mir klar: Kommentieren heißt dabei sein, denn ich wurde plötzlich begrüßt, sehr freundlich sogar. Angenehm, aber auch verwirrend. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Der Blogger muss kommentieren, um präsent zu sein, er "muss" es aber auch, weil die Autoren auf Resonanz warten. Nichts ist schlimmer, als "Kein Kommentar", hat Willi mal formuliert. Zwischen diesen beiden Notwendigkeiten bewegt sich die Freiheit des Kommentierenden.
Denn frei bleibt er natürlich trotz der Vorgaben. Der Rest ist nicht schwer, könnte man denken: Man liest, stimmt zu oder lehnt ab. Die Zwischenformen, grundsätzliche Zustimmung, aber Kritik am Detail, oder überwiegende Ablehnung mit freundlicher Aufmunterung am Schluss, sind dabei gar nicht so selten.
Zustimmung ist grundsätzlich leicht, hat aber durchaus ihe Tücken. Das "Problem" noch mal aufzugreifen und zu bekräftigen erübrigt sich eigentlich. Ein eigenes Erlebnis könnte hilfreich sein, das die Darstelung des Autors untermauert. Nicht immer aber gereicht das "Genau so hab ich es auch schon erlebt" zum Lesevergnügen. Also bleibt der Versuch einer "begründeten" Bewertung. Aber wie?
Dein Text gefällt mir gut. ??
Du hast es genau erfasst. ??
Das hast du schön/ sehr
schön/anschaulich erzählt. ??
Ich hab mich köstlich amüsiert. Mehr davon. ??
Genau so isset. ??
Manche verzichten auf diese eher begrenzten, nicht floskelhaft gemeinten, aber doch oft so klingenden, Formulierungen:
***** Sterne von mir ... sagt im Grunde alles, oder nicht?
Wie immer ***** Sterne von mir ... macht mich manchmal stutzig.
Schmunzeln musste ich über: Hab deinen Text noch nicht gelesen, geb dir schon mal *****.
Und richtig schwierig wird es, wenn die Zustimmung schon mehrfach in allen möglichen Variationen geäußert wurde. Was bleibt da noch?
Ich schließe mich den Vorrednern an. ??
Oder lass ich das nicht dann doch lieber weg? Wenn mir die Zustimmung wichtig ist, muss ich jetzt richtig kreativ werden. Das kann auch eine Herausforderung sein.
So schön die Zustimmung ist, so ganz unproblematisch ist sie nicht. Da entwickelt sich nichts, es entsteht kaum ein Dialog. Wenn alle sich einig sind, verläuft das "Gespräch" im Sand ...
Ist der Autor in diesem Fall zufrieden?
Von der Sache her schwieriger sind die kritischen Stellungnahmen. Abhängig vom Thema, von Temperament und Laune des Kommentierenden, ergibt sich hier eine Bandbreite von Möglichkeiten. Auch scheint hier die persönliche Beziehung des Komentierenden zum Autor oft noch deutlicher ihre Spuren zu hinterlassen, als bei der zustimmenden Kritik.
Gefragt ist eine sachliche Auseinandersezung mit der Argumentation des Textes. Das erfordert genaues Lesen und Zeit. Das Thema oder der Autor muss das "wert" sein. Oder ist es vielleicht doch mehr mein Bedürfnis nach Stellungnahme?
Bei eingehender Auseinandersetzung mit dem Text kann es dem Kommentierenden allerdings auch passieren, dass er aufgefordert wird, nicht so kleinkariert genau zu sein, sondern den Text einfach quer zu lesen.
Eigentlich müsste man hier alles sagen dürfen, was einem in den Sinn kommt ... solange die Form gewahrt bleibt.
Schon beim "Inhalt" fange ich da oft an zu grübeln. Die Darstellung macht es mir z. B. manchmal schwer, das Gesagte richtig zu verstehen, die Rechtschreibung entspricht nicht immer meinen Erwartungen. Muss ich das erwähnen? Wenn ich doch das Anliegen des Schreibenden verstanden habe, seine Geschichte mich so berührt hat, dass ich über diese Formalitäten hinweggelesen, sie zuletzt ignoriert habe?
Und wie geh ich mit einer aus meiner Sicht nicht umfassenden oder gar "falschen" Einschätzung oder Darstellung um? Ist mein Kommentar wichtig, ist er gefragt, "hilft" er weiter. Will ich das überhaupt, "weiterhelfen" ... "bespiegeln",wie es immer so schön psychologisch umschrieben wird, wenn man einen anderen auf seine vermeintlichen Fehler hinweist?
Formuliere ich das, wenn ich mit einem Beitrag nun überhaupt nichts anfangen kann, oder blättere ich einfach weiter, wie bei der Prinatausgabe auch?
Auch im Kommentar spielt mehr oder weniger offensichtich und bewusst auch die Selbstdarstellung eine Rolle. Sei es der Hinweis auf intellektuelle Fähigkeiten, Erfolge, Erfahrung, oder ein ansprechendes Äußeres. Es geht gar nicht ohne. Das ausdrückliche Verneinen von Qualitäten verstehe ich als "fishing for compliments" oder Selbstironie.
Nicht zuletzt stellt sich natürlich die Frage nach der Form der Kritik. Hier wird es richtig schwierig, weil die Grenze zwischen Meinungsäußerung und Beleidigung sehr fließend ist, und ganz unterschiedlich wahrgenommen wird ... was nicht erst der aktuelle Fall im Blog zeigt.
Wie vorsichtig muss ich hier sein, damit ich keinen verletze? Suche ich nach wohlüberlegten, sachlichen Formulierungen -die allerdings auch aalglatt und langweilig sein können-, oder braucht der Blog Kommentare, an denen man sich reiben kann?
Schlagworte: blogger | kommentare | lob und kritik | meinungsäußerung | beleidigung
Erstveröffentlichung 2. 10. 2007 bei stadtmenschen
*Schnööf hat sich ja auch grad über die "Flaute" beschwert.
Dieser uralt Beitrag mit damals aktuellem Bezug zu den stadtmenschen kommt mir in den Sinn, wenn Taxania immer wieder den fehlenden Mut beklagt, wenn er Postings vermisst. Ob er das selbst glaubt, oder nur provozieren will ... ???