Ein Kaninchen für Köln

  • ... oder ist es doch ein Hase?


    Gestoßen bin ich auf das arme Tier, weil ein Blogger sich darüber massiv echauffierte. Sonst hätte ich es möglicherweise ganz verpasst.


    Der Hintergrund: In der Sennenfelderstraße wurde im Zuge des Cityleaks Festivals eine Hauswand bemalt. Die ziert jetzt ein übermannsgroßer abgezogener Hase ... das Wort ist da für mich schlimmer, als die Darstellung. Der nackte Hase trägt menschliche Muskulatur und die ist rot gefärbt. Das gibt der ansonsten eher wissenschaftlichen Darstellung etwas "Grausames".


    Ist das Kunst, fragt sich der verärgerte Anwohner. Das will ich nicht sehen, weg damit! Da muss jemand ganz krank sein, wenn er uns so etwas zumutet. [Leider kann ich nicht zitieren, der KStA gönnt sich grad mal wieder eine Auszeit.]


    Mich hat jedenfalls die Reaktion der Anwohner mehr beunruhigt, als der tote Hase ... klang das doch sehr nach "nicht normal" und da denk ich gleich an "entartete Kunst". Isset schon wieder soweit?


    Die Reaktionen von Susanne und Harald zeigen zumindest auffällige Parallelen zu dem Beitrag "Ist das Kunst, oder kann das weg?" bei den stadtmenschen.


    Harald:
    13.09.2011, 10.43
    Hat sich mal irgendeiner überlegt wie es ist, jedes mal, wenn man in seine Straße einbiegt, diesen abgezogenen, ausgebluteten Menschen mit Hasenpfötchen und Horrorfratze anzusehen. VIELEN DANK! Auf Kunst dieser Art können wir hier im Viertel gern verzichten, besonders unsere Kinder! Was muss man eigentlich spritzen, um so eine kaputte Scheiße zu verzapfen?
    Vielleicht sollte man mal mit einem Eimer Alpinaweisse eine spontane Gegenkunstaktion veranstalten?!
    AUA AUA AUA ein wirklich angepisster Anwohner


    Susanne:
    13.09.2011, 10.55
    Schade, hätte mich über ein schönes Artwork gefreut. Und dann sowas…
    Ist das Kunst oder kann das weg?*
    Muss man Angst haben, dass die Kinder das nachmachen?
    Bei uns gab es zwar schon vorher keinen Hasenbraten, aber was soll das?
    Kann mir nun auch nicht den tieferen Sinn vorstellen und will auch gar nicht wissen, was der Künstler uns damit sagen will.**
    Ich weiss nur, der Hausbesitzer macht scheinbar alles mit, was Geld bringt.
    Demnächst ist der Hase weg und dort prankt Werbung von der Humbug-Mülleiner oder so. Ich weiss grad nicht, was schlimmer ist:
    Fritz, begrüss doch mal unseren Mann von der Humbug-Mülleimer!
    Na, Du A…loch.
    Sehen Sie, man kennt uns.


    * Das ist der Titel des Blogs beim KStA


    ** Warum will man gar nicht wissen, was der Künstler sagen wollte? Möglicherweise könnte man es ja sogar verstehen. Der belgische StreetArtKünstler ROA spricht eine eigene Sprache. Bewusst setzt er immer wieder Tiere ins Stadtbild. “Mit Roa erobern sich die Tiere den urbanen Raum zurück und erinnern uns daran, dass dies einmal ihr Revier war und viele von ihnen von uns vertrieben wurden oder sterben mussten.” , meint die Kunsthistorikerin Anna Böß.


    Könnte der an seinen Fesseln verkehrt herum aufgehängte Hase eine Metapher sein für die verkehrte Welt, die der Städter geschaffen hat, eine Stadtlandschaft, in der Natur keinen Platz mehr hat?


    Man könnt ja auch mal nachdenken, anstatt einfach nur loszuschimpfen.


    Siehe auch hier


    P. S. Warum der Hase nun ausgerechnet Kinder gefährden soll, seh ich grad nicht. Haben Harald und Susanne überhaupt Kinder? Das Tier hängt zudem oben am Giebel und nicht kurz über dem Bürgersteig, wie manche Fotos spontan vermuten lassen. Ich werde mal vorbeifahren.

  • .. ist ROAS jagender Fuchs in Wien. Er ziehrt seit kurzem ein Gebäude innerhalb eines Sanierungsgebiets.


    Verbale schreibt am 6. 9.:


    Die XY AG ist stolz darauf, dass einem der derzeit angesagtesten Street-Art-Künstler auch ein XY Haus als Malfläche gedient hat. Mit seinem präzise gemalten Fuchs hat ROA bei seinem Wien Besuch ein beeindruckendes Werk in der Liegenschaft Westbahnstraße hinterlassen.


    Tiere sind das zentrale Thema in ROAs Arbeiten. Nachdem seine monumentalen, meist in schwarz-weiß gehaltenen Hasen, Vögel, Ratten oder Fische in Metropolen wie New York, London, Paris, Berlin oder Mexiko City zu bewundern sind, hat die Premium Immobilien AG dem kleinen Belgier die Hoffassaden in der Westbahnstraße zur Verfügung gestellt, um einen jagenden Fuchs zu zeichnen, der sich gerade auf einen Hasen stürzt.


    In Zusammenarbeit mit der Galerie INOPERAbLE, in der ROA am 27.08.2011 seine Vernissage veranstaltete und seine Werke bis Ende Oktober zu betrachten sind, wurde innerhalb weniger Tage die Genehmigung der zuständigen Behörden eingeholt, um dieses für Wien in dieser Größe einmalige Kunstwerk in einer zentralen Lage zu ermöglichen. Die großformatige Malerei lässt sich besonders gut von der Bandgasse aus betrachten und wird dort bis zur umfassenden Sanierung des Hauses noch viele Bewunderer finden.


    Mit dem Bindeglied zwischen der XY AG und der INOPERAbLE Gallery, Toni Tramezzini, der derzeit ein Creative Cluster für Urban Photography, Urban Fashion und Urban Art mit jungen anderen Künstlern aufbaut, wurde dieses einzigartige Projekt für öffentliche Kunst ermöglicht.

  • Schon als Kind war Roa von Tieren fasziniert, hat Skelettteile mit nach Hause genommen, oder junge, aus dem Nest gefallene Vögel, die dann leider doch nie durchkamen. Zunächst malte er die Tiere nur für sich, dann lösten sie das Graffiti-Writing ab, mit dem er begonnen hatte: Archaische, rohe, riesige Bilder in Schwarz-Weiß - verrottende Tiere, Tiere, denen die Haut abgezogen wurde, Tiere, die kurz davor sind, gefressen zu werden ... bis zu dreißig Meter hoch, wenn der Platz dazu reicht.

    Roa malt an jedem Ort genau die Tiere, die es früher dort gegeben hat oder immer noch gibt. Die Menschen, sagt er, hätten die Natur reguliert und kontrolliert, so weit, dass viele Arten ausgerottet worden seien oder aus ihren Territorien verdrängt wurden. Er bringt sie zurück, riesenhaft und gespenstisch und zwingt Passanten dazu, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. In unterschiedlichen Ländern hätten Tiere außerdem unterschiedliche Bedeutungen - der Interpretationsspielraum sei unermesslich. Oft ist der Künstler, der im Interview leise und bedacht spricht, überrascht, welche Wirkung er mit seinen Bildern im Straßenraum erzielt und welche Bedeutung ihnen zugemessen wird.


    Die Tiere sind wegreguliert worden - und dasselbe versucht man auch mit Graffiti und mit „Problemvierteln“ in großen Städten. Bei Roa trifft sich das alles - die Straße, die schwierigen Gegenden, die „Pisswinkel“, wie er das nennt, und die Tiere. Das Konzept hatte von Anfang an Erfolg, durch das Internet verbreiteten sich seine Bilder rasant und vor zwei, drei Jahren begann seine Karriere durchzustarten. Angebote kamen aus aller Welt, und Roa nahm sie gerne an. Die Ausstellung im MOCA* war der jüngste Höhepunkt.





    ORF.at/Dominique HammerDas Prinzip Gunther von Hagens



    Roa sitzt im siebenten Bezirk in Wien in einem Innenhof zwischen zwei Häusern, die demnächst abgerissen werden sollen, dreht sich eine Zigarette und lässt seinen Blick vom gerade eben vollendeten Riesenfuchs hin zu seinem verbeulten, uralten VW Polo schweifen. Er brauche keine Limousine und keinen Pool. Aber die Perspektive, sein Leben lang so Kunst machen zu können, wie er das will, weiterhin herumreisen und dabei viele Menschen abseits von Touristenpfaden kennenlernen zu können, die mache ihn glücklich.



    Die Debatte innerhalb der Street-Art-Szene, ob es verwerflich sei, neben den unverkäuflichen Bildern an Wänden im urbanen Raum auch verkäufliche Bilder für Galerien und Museen zu malen, läuft seiner Meinung nach in die falsche Richtung. Wer einfach nur seine Straßenbilder auf Leinwand sprühe, produziere meist langweilige Kunst.




    Quelle: Vom „Pisswinkel“ ins MOCA und retour , ORF

  • Warum sollte Kunst auch nur durch irgendwelche exklusiven Zirkel kreisen? Unsere Umgebung wäre viel schöner und angenehmer wenn man sie auch viel mehr gestalten würde. Angesichts der architektonischen Verbrechen in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg, die dieses Land und vor allem unsere zerbombten Städte überzogen haben, bin ich schon für jede zugesprühte Häuserwand dankbar.

  • ROA geht ja bewusst "auf die Straße". Kunst im Museum hat einen ganz anderen Charakter. Da ist ein geschlossener Zirkel.


    ROA zieht um die Welt, die Vergänglichkeit im Blick. Seine Kunst ist abhängig von der Fläche, dem Material, der Zeit, die er hat ... und seiner Idee.