Freiheit, die ich meine ... ?

  • Freiheit ... ?
    Ein Vogel, Symbol der Freiheit, könnte die Antwort kennen.




    Als ich ihn aufsuchte, ging mir durch den Kopf, dass es nicht taktvoll war, jemandem, der seit langem eingesperrt war, diese Frage zu stellen. Er hatte in seinem langen Leben viele Tiere beobachten können, auch die Menschen, aber seit fünfzig Jahren lebt er jetzt in der Voliere.
    Ich schämte mich fast ... die Antwort verblüffte mich um so mehr.


    "Ob ich mich nach Freiheit sehne? Sollte ich das?"


    Die Stimme des Vogels klang noch rostiger und unfreundlicher als sonst.
    "Wollen Sie überhaupt wissen, was Freiheit ist, junge Frau? Fressen und gefressen werden, Beute machen und niemandes Beute zu sein, das ist Freiheit. Das gilt für alle Tiere, auch für euch Menschen."


    "Der Mensch ist kein Tier. Und Freiheit ist für uns das höchste Gut."


    "Aha, das höchste Gut", wiederholte der Vogel. "Ihr seid sprachbegabte Tiere und redet viel ... auch über Freiheit.
    Ich bin ein großer, starker Vogel. Viele Tiere waren für mich eine leichte Beute, kaum eines konnte mir gefährlich werden, also hatte ich viel Freiheit. Irgendwann erkennt man aber, dass auch Stärke keine Freiheit bringt. Man muss sie immer wieder beweisen, immer größeren Tieren nachjagen ... bis man selbst gefressen wird.


    Es dauert lange, bis man das erkennt ... solange leben die meisten Tiere gar nicht.
    Glauben Sie mir, ich war nie so frei wie hier. Jeden Tag bekomme ich zweimal ein ordentliches Stück Fleisch und niemand wird mich hier fressen."


    Das konnte doch wohl nicht wahr sein. "Fressen ... ist das alles? Die ganze Weisheit, die Sie in fünfhundert Jahren erworben haben?"


    "Nicht erworben ... sie ist mir angeboren ... wie Ihnen auch."


    "Vögel sind für uns ein Symbol der Freiheit ... ungebunden, hoch in der Luft, frei zu fliegen, wohin sie wollen. Und jetzt sitzen Sie, ein Herr der Lüfte, hinter diesem Maschendraht und sind damit zufrieden?"


    "Ja, ich war frei ... vogelfrei. Jeder Menschenknabe hätte mich mit einem Luftgewehr erlegen können. Und es gab Zeiten, da musste ich Mäuse fressen, sogar Insekten. Ist Hunger Freiheit?


    Was den Maschendraht betrifft ... der hat zwei Seiten. Ich sehe Sie hinter dem Draht."


    "Mich behindert er aber nicht. Ich kann gehen, fahren, ja sogar fliegen wohin ich will."


    "Tun Sie das? Fliegen Sie weit weg?"


    "Hmmm ... hin und wieder ..."


    "Sie kommen aber zurück?"


    "Klar komm ich zurück. Hier ist schließlich meine Heimat, hier habe ich meine Familie, meine Arbeit, meine Freunde."


    "Ihr Revier, Ihr Nest, Ihre Beute und Ihre Jäger ... oder Ihr Stück Fleisch und Ihre Voliere?"


    Wie bitte? Ich überging die Frage. "Ich könnte auch für immer wegfliegen!"


    "Um woanders für ein neues Revier zu kämpfen? Ändert das etwas? Ist Freiheit Flucht?
    Sie werden selbst auf der Flucht Ihren Zaun mitnehmen ... oder einen neuen aufbauen. Sie wollen auch nicht vogelfrei sein.


    Alles, was ihr Freiheit nennt, sind nur Worte. Sind Worte Freiheit?"


    "Der freie Gedankenaustausch ist sehr wichtig. Das war eine interessante Diskussion", sagte ich zögernd.
    "Jetzt muss ich aber schnell weg, sonst komme ich zu spät zur Arbeit ... das gefällt meinem Chef nicht."





    Der Text basiert auf einer Idee des Satirikers Gabriel Laub.


    Erstveröffentlichung 3. 11. 2008

  • Freiheit hat so viele Facetten ... darüber kann man lange diskutieren.


    Mit gefällt am besten: Freheit bedeutet nicht, zu tun, was man will, sondern nicht tun zu müssen, was man nicht will.

  • befinden sich unverschlossen in einer Kiste.



    Es bedarf also keines Schluesselchen. Meine Freiheit hoert da auf, indem ich anfange, die Freiheit eines Anderen zu "beschneiden".