Stolpersteine in der Dessauer Kantorstraße

  • Diese Stolpersteine spielten schon in einem meiner anderen Beiträge eine Rolle,
    als ich bei den "Stadtmenschen" beispielhaft vom Schicksal des Dessauer Rabbiners Dr. I. Walter und dessen Frau berichtete.


    Erst jetzt ist mir aufgefallen, dass es nicht nur durch G. Demnig und seine Stolpersteine eine besondere Beziehung Dessaus zu Köln gibt, sondern auch durch durch David Heumann.


    David Heumann (1880 - 1929), der beliebte Kantor und Religionslehrer der Dessauer Kultusgemeinde, starb am 20. Juni 1929 nach schwerer Krankheit im Alter von weniger als 49 Jahren. Er stammte aus Brühl bei Köln und besaß rheinländisches Temprament und Frohsinn. Ab 1911 hat er in Dessau gelebt und gewirkt. Seine Grabstätte auf dem Dessauer jüdischen Friedhof ist erhalten.


    Seine Witwe Erna geb. Lewin - aus Pasewalk - zog 1932 aus der Kantorwohnung im Gemeindehaus (Steinstraße) in das damalige Schul- und Rabbinerhaus (Kantorstraße) um. Wie ihr verstorbener Mann war auch Erna Heumann ein engagiertes Mitglied der jüdischen Gemeinde. Zudem war sie politisch aktiv in der Ortsgruppe der Deutschen Demokratischen Partei, bis diese von den neuen Machthabern 1933 verboten wurde.


    Unter dieser Adresse ebenfalls gemeldet waren die Tochter Lotte Heumann (geb. 1912, nach dem Abitur studierte sie Jura an der Universität Bonn), der Sohn Werner (geb. 1910, er war ab 1933/34 in Berlin bei einem Architekten angestellt), zeitweilig auch die bereits verheiratete Tochter Anneliese Michaelis geb Heumann (geb 1908) mit ihrer Tochter Judith (geb. 1935). Ebenfalls im Erdgeschoss dieses Hauses wohnte die Schwester von Erna Heumann, Martha Lewin (1882 - ?)


    Nach der Verwüstung des Hauses im Novemberpogrom 1938 und nach dem Besitzerwechsel im Sommer 1939 mussten die Familie Heumann und Marta Lewin ausziehen; sie fanden ein zeitweiliges Quartier im Haus Zerbster Straße 58. Werner Heumann wanderte Ende August 1939, gerade noch rechtzeitig vor Kriegsausbruch, nach London aus.


    Alle anderen Familienmitglieder wurden ermordet: Lotte Heumann war 1939 nach Leipzig gezogen. Von dort wurde sie am 17. Februar 1943 in einem Transport zunächst nach Berlin gebracht, von Berlin ging der Transport am 26. Februar 1943 nach Auschwitz weiter. Bei der Ankunft des Transportes mit Lotte Heumann in Auschwitz - mehr als 920 Personen - wurden über 650 Menschen sofort "selektiert" und in die Gaskammern geschickt. 262 Frauen und Männer wurden zu Arbeitssklaven für das Lager bestimmt. Möglicherweise war die 35-jährige Lotte Heumann darunter. Der genaue Zeitpunkt ihres Todes ist nicht bekannt.


    Lottes Mutter Erna war bereits mit einem am 14. Dezember 1942 von Berlin abgehenden Transport nach Auschwitz gelangt. Im gleichen Transportzug befand sich ihre Schwester Marta Lewin. Und schließlich gehörte noch ein drittes Familienmitglied zu den insgesamt 815 Menschen, die mit diesem "25. Osttransport" in die Vernichtung geschickt wurden: Ernas älteste Tochter Anneliese. Sie war Sängerin, hatte als Kind oft mit ihrem Vater musiziert und später mit ihrer Sangeskunst viele Dessauer Theaterabende - bis zu ihrer Entlassung aus dem Friedrichstheater 1932 - sowie Konzertabende im jüdischen Gemeindehaus bereichert. Auch die genauen Todesdaten von Erna Heumann und Anneliese Michaelis sind nicht bekannt. Das gilt auch für Judith Michaelis (1935 - ?), die kaum 8-jährige Tochter von Anneliese. Sie wurde am 12. März 1943, also etwa ein Vierteljahr nach ihrer Mutter, ebenfalls nach Auschwitz deportiert.


    Mit der Verlegung der Stolpersteine und der Dokumentation "Stolpersteine für Dessau-Roßlau" * will u. a. die Werkstatt Gedenkkultur (www. gedenkkultur-dessau-rosslau.de) die Erinnerung an ehemalige jüdische Bürger Dessaus wach halten.


    *auch Quelle für diesen Beitrag

  • Deine Berichte über jüdische Lebensläufe während der NaziZeit und über jüdisches Gemeindeleben heute gefallen mir, Spiegel.


    Trotzdem frage ich mich, was genau da dein Interesse weckt.

  • Deine Berichte über jüdische Lebensläufe während der NaziZeit und über jüdisches Gemeindeleben heute gefallen mir, Spiegel.


    Trotzdem frage ich mich, was genau da dein Interesse weckt.


    Wenn Dir meine Beiträge zum Judentum in Geschichte und Gegenwart gefallen, escape, kannst Du damit sicher auch etwas anfangen.


    Da Du Dich fragst, was genau mein Interesse weckt, hast Du wohl auch schon eine Antwort. Stimmt´s? Schreibst Du die auch auf?


    Nicht nur im Internet kam zuletzt durch mich das Thema wieder zur Sprache. Sowohl von meiner Schwester als auch von einem Studienfreund bin ich in dem Zusammenhang gefragt worden, ob ich zum Judentum übertreten wolle. Nein! Daran habe ich kein Interesse.


    Jude ist man als Kind einer jüdischen Mutter. Meines Erachtens kann man durch Konversion gar nicht zum Juden werden. Allein das wie auch der weitgehende Verzicht auf Missionstätigkeit unterscheidet das Judentum von anderen Religionen, auch wenn es beispielsweise mit Islam und Christentum manche Gemeinsamkeit gibt.


    Ein ganz besonderes Verhältnis, nicht nur historisch, besteht zwischen Juden- und Christentum. Das hat mich schon lange beschäftigt und beschäftigt mich nach wie vor. Die jüdischen Schicksale in der Nazizeit und jüdisches Leben in Deutschland nach dem Holocaust, Antisemitismus, Zionismus sowie die Rolle des Staates Israel im Nahen Osten und in der Welt sind wohl nur einige Teilthemen desselben Interessengebietes.


  • Wenn ich Fragen stelle, habe ich nicht schon die Antworten im Kopf, wie kommste denn da drauf, Spiegel?


    Deine Beiträge gefallen mir, weil/obwohl ich nicht am Thema hänge. Die Vielfalt macht's ... und die ganz anderen Gedanken.


    Du hängst also schon lange am Thema, weil es für dich historisch wichtig ist? Habe ich das richtig verstanden? Irgendwo muss ja wohl ein persönlicher Bezug stecken ... denk ich

  • Das Judentum wäre mit die letzte Religion, der ich beitreten würde. Soviel Heuchlertum wie dort wäre für mich unerträglich. Da werde ich ja noch lieber Islamist. Die stehen wenigstens zu ihrem Hass.
    Bis dahin bleib ich aber ein rechtschaffender Katholik, der nachts als Pädoman durch die Kirche wütet und unlautere Priester mit seinem Anti-Penis-Strahl abschiesst.



    @Spiegel
    Diese Geschichte war schon viel ergreifender als die, die du jüngst bei den Stadtmenschen geschildert hast :)