Puddelrüh im Netz?

  • Würde Jesus heute geboren, Joseph würde die Geburt sofort zwitschern, neudeutsch twittern.


    Das Mitteilungsbedürfnis der Menschen hat sich wahrscheinlich nicht geändert, nur die Möglichkeit, es öffentlich zu machen. Waren es früher die Freunde, denen man freudige Ereignisse oder Sorgen mitteilte, oder die Nachbarn, mit denen man über die Banalitäten des Alltags plauderte, schüttet man jetzt das Netz zu?


    Alle Welt soll wissen, was xy zu Weihnachten gegessen hat ... oder ob das Streugut reicht, ob man bei Glatteis ausgerutscht ist, eine Gans schmort, den Weihnachtsbaum schmückt, oder sich über Weihnachtsgrüße gefreut hat?


    Auf Stars und Sternchen werden Papparazzi angesetzt, damit die Neugier der anderen mit unnützem Detailwissen aus der Privatsphäre befriedigt werden kann ... Otto Normalverbraucher liefert das Material freiwillig. Wird er dadurch wichtiger, oder wie ist die Entwicklung hin zu einer geschwätzigen Gesellschaft zu erklären?


    Irgendwann kommt der Tag, da stellt jeder seinen Tagesablauf mit Fotos ins Netz, inklusive aller Kontobewegungen. Transparenz ist alles.

  • Endlich kann ich mit ein paar Klicks den ewig verschollenen Schulfreund finden ... er zappelt schon im Netz.
    Und wer einmal im Netz zappelt, geht nicht verloren. Das ist gut so. Die erste große Liebe vergisst man nicht ... und jetzt kann ich den Mann meiner Träume tatsächlich wiederfinden.

    Möglich wird das durch die mutige Investition von acht Millionen US-Dollar in eine der leistungsstärksten Suchmaschinen der Welt. Das Ergebnis: Spock.com (Single Point of Contact and Knowledge) mit Sitz in Kalifornien. Seit Anfang August werden hier Informationen über Menschen gebündelt auf einer Seite zusammengestellt.


    Während man bei Google, wenn man einen Namen eingibt, lange Adresslisten und Internetseiten durchforsten muss, um den richtigen Klaus Müller zu finden, stellt Spock.com eindeutige Suchergebnisse zur Verfügung. Jeder wird mit Hilfe von Schlagwörtern so genau "identifiziert", dass Verwechslungen ausgeschlossen sind.


    Für die Profile werden auch Artikel und Weblogs über Personen ausgewertet.
    Wenn in einem Text über XY steht, dass Klaus Müller gerne Tennis spielt, dann erkennt das die Suchmaschine als Information über Klaus Müller. Zudem werden soziale Netzwerke ausgewertet. Behauptet da irgendjemand, Klaus Müllers Frühstück bestehe schon seit Jahren lediglich aus Wodka, oder er habe gehört, Klaus Müller sei längst insolvent, wird auch das erfasst.
    Das stört mich nicht. So einen Klaus Müller suche ich ja nicht!


    Die eitle Wichtigkeit der YouTube-Generation, die sich in einer fast unübersehbaren Fülle von Blogs, Foren und Chatrooms unermüdlich selbst bespiegelt, Persönlichstes preisgibt ... in der Hoffnung, damit nicht allein zu bleiben, ist mein Problem auch nicht. Pech eben, wenn sich der Chef ihre MySpace-Seite anschaut.


    Ich bin nur froh, dass ich endlich meine alte Jugendliebe wiederfinden kann, mit etwas Glück sofort mit Bild.


    Die Idee zu diesem Beitrag entstand beim Lesen der SZ. Warum titelt die reißerisch: "Die Jagd ist eröffnet"?


    Schlagworte: Spock.com | Menschensuchmaschine | globale Vernetzung | Verleumdung




    Erstveröffentlichung 14. 8. 2007 (mit Kommentaren)


    Ich sag's hier lieber gleich, die Suche nach der ersten Liebe ist reine Fiktion, diente lediglich als Aufhänger. Vor fast fünf Jahren haben viele mich ausgelacht, weil man die Durchsichtigkeit des www einfach nicht sehen wollte ... heute hat sie wohl jeder erkannt, aber sieht nur die Vorteile?


    Hauptsache Durchblick, oder was??

  • Obwohl ich in der Piratenpartei bin habe ich weder Twitter- noch irgendeinen Social Network-Account. Es geht also auch für meine Generation ohne das man 500 Freunde hat und jederzeit übers Weltgeschehen informiert werden kann.


    Ich denke aber für den Durchschnittsmenschen wird dieses SocialWeb irgendwann sehr lehrreich sein. Der Mensch wird irgendwann begreifen, wie unwichtig er doch eigentlich ist :)

  • Dein Wort in Gottes Ohr!


    Ich bin nicht bei Facebook und zwitschere nicht, aber nach allem, was ich mitbekomme, ist es ungeheuer wichtig dabeizusein. Da werden die Freunde gezählt und die Follower. Nichts geht ohne Zahlen, die sind "objektiv". Laddy Gaggy ist weltweit führend ... aber die ist ja auch wichtig.


    Ständig begegnen mir ganz wichtige Menschen, die neben allem, was sie grad tun, auch noch in ihr Smartfone blubbern oder gaaanz aktuelle Fotos machen. Bis die erkennen, dass sie unwichtig sind ... das dauert aber!