Ich schäme mich ... nicht!

  • Muss ich mich schämen? Scham zielt auf das Gewissen, die psychische Instanz, der sich Freud einst mit dem Begriff des "Über-Ich" näherte, den Teil unserer Psyche, der uns in den Bezug zu anderen Menschen setzt: Vor den anderen schämen wir uns, wegen des Leids der anderen fühlen wir uns schuldig. Durch Schuld und Scham sind wir an die sozialen Regeln unserer Kultur gebunden.


    Wenn ich mich nicht schämen/nicht beschämen lassen will, muss ich nicht den anderen entwaffnen, sondern mein eigenes Gewissen. Und da sind immer die drei Dämonen Angst, Schuld und Verpflichtung. Wovor habe ich Angst? Was kann im schlimmsten Fall passieren? Welche Schlagwörter oder Zwischentöne sorgen dafür, dass ich mich schlecht fühle? Die Frage bleibt aber: Habe ich wirklich Grund, mich schlecht zu fühlen? Der Verstand muss unterscheiden, ob wir tatsächlich gegen Werte unserer Mitmenschen verstoßen, oder ob unsere Bereitschaft, Schuld zu empfinden ausgenutzt wird. Wenn das Gewissen schweigt, kann uns niemand beschämen. So einfach ist das ... und so schwer.

  • Heutzutage ist besonders fremdschämen angesagt. Seltsame Ersatzhandlung. Ich schäme mich für das, was ein anderer tut oder sagt? Ich übernehme für ihn die Verantwortung, oder was? Warum sollte ich das tun? Damit entmündige ich ihn.


    Es scheint allerdings immer mehr Menschen zu geben, die ihre Selbstverantwortung bereitwillig abgeben ... und in die Opferrolle schlüpfen. Ein Opfer ist per definitionem hilflos, sonst ist es ein Gegenspieler oder Kontrahent. Was macht mich da so hilflos? Wirklich immer der andere??


    Wer auf der Opferrolle besteht, sucht/braucht immer Täter, Schuldige.

  • Na ja, ich schäme mich schon, Deutscher zu sein, wenn ich daran denke, was die Nazis mit den Juden, Zigeunern, Kommunisten und Homos gemacht haben. Obwohl ich als 1944 Zehnjähriger bestimmt keine Schuld trug und auch nie einer nationalsozialitischen Organisation angehört habe. Im Gegenteil, dafür, dass ich nicht im Jungvolk war, habe ich sogar Prügel bezogen. Nur, dafür kann sich keiner was kaufen. Jedenfalls bin ich nur bei Karl May stolz, ein Deutscher zu sein. Weil der immer zu den Guten gehörte ... und außerdem zum Schluss immer gewonnen hat. :)

  • Man muss beim Sichschaemen oder fuer Andere schaemen ja nicht gleich einen roten Kopf bekommen, aber es ist durchaus gegeben.


    Merkwuerdigerweise schaeme ich mich nicht dafuer, was meine Vorfahren oder aktuellen Zeitgenossen getan haben und noch tun, weil ich weiss, dass es in der Natur des Menschen liegt, sich so zu verhalten, wie er es "tut".


    Und nicht alle sind Verbrecher. Gehe davon aus, dass es die Minderheit ist. Die aber hat einen dermassen grossen Einfluss, dass sie "Unschuldige" ebenfalls zu Verbrechern macht.


    "Es scheint allerdings immer mehr Menschen zu geben, die ihre Selbstverantwortung bereitwillig abgeben .."



    Es scheint nicht nur, sondern es ist so. Wie sieht es im Sozialismus aus ?? Da warten fast alle darauf, dass der Staat fuer sie sorgt. Kann ich hier in Venezuela eindrucksvoll beobachten. Nur die Selbststaendigen muessen sich bewegen, damit sie ihren Unterhalt bestreiten koennen.


    Die anderen sitzen oder stehen die Zeit ab und freun sich des Lebens.