Vincent Klink - "Ein Bauch spaziert durch Paris"


  • Vincent Klink liest aus seinem Buch "Ein Bauch spaziert durch Paris"
    Foto: imago/Lichtgut


    Interview mit Sternekoch
    Vinzent Klink über unbegabte Deutsche und das Fasten

    • Von Marie-Anne Schlolaut
    • Sternekoch Vinzent Klink kann auch ungemütlich werden.
    • Im Interview spricht er über den Sinn des Fastens und das Problem mit deutschen Genießern.
    • „Ich könnte militant werden, wenn große bekannte Konzerne ihre Macht ausnutzen und den Menschen ihr Anrecht auf Wasser nehmen..."


    Herr Klink, hat die Fastenzeit für Sie als Sternekoch und Privatmann Bedeutung?
    Ich habe mich noch nie nach religiös vorgegebenen Fastenzeiten gerichtet. Ich faste, wann ich Lust habe, und ich faste, um frischer zu werden.



    Fasten sieht bei Ihnen wie aus?
    Ich frühstücke sehr wenig, nehme ein kleines Mittagessen zu mir und abends gibt es nur noch eine Kleinigkeit. Vor allem lasse ich die Nascherei zwischendurch weg.


    Was naschen Sie?
    Ich probiere das, was meine Köche und Köchinnen zubereiten, um es zu überprüfen. Und wenn es sehr gut schmeckt, dann probiere ich auch schon fünf Mal.


    Sind Fastenzeit oder Fastentage eine Gelegenheit, unseren komfortablen Lebensstil zu hinterfragen?
    Fasten dient für mich dazu, sich zu sortieren, damit man nicht in der Völlerei versackt, geistig frisch bleibt und nachdenklich wird.Der Verbraucher ist oft stumpfsinnig geworden – rund um die leibliche Versorgung. Als Koch kann ich mir so eine Haltung nicht leisten, sondern ich muss mich fragen, ob das, was ich mache, auch Sinn hat.


    Das heißt?
    Genießen ist gut und richtig, aber nicht, wenn jemand durch meinen Genuss ausgebeutet wird.


    Bei welcher Art von Genuss dreht sich Ihnen der Magen um?
    Wenn ich an Kreuzfahrten denke. Das ist für mich mit das Schlimmste. Oben ist alles top und unten schuften die Filipinos unter unsäglichen Bedingungen.Oder wenn ich Tomaten esse, die schön billig sind, weil Flüchtlinge aus Afrika in Südspanien an den Arbeitsbedingungen fast krepieren. Ich muss mir überlegen, wie ich mich ernähre, ob es nachhaltig und menschenwürdig ist.


    Sie haben den Ruf, ein Unangepasster zu sein.
    Ich verstehe nicht, warum Mineralwasser zu uns über die Alpen transportiert werden muss. Wir haben hervorragendes Mineralwasser in Deutschland. Ich selber trinke eh nur Wasser aus dem Hahn. Alles, was lange Transportwege hat, kommt für mich nicht in Frage. Nur bei Mango und Ananas mache ich eine Ausnahme.Meine letzte Erdbeere habe ich im August gegessen und Tomaten gibt es in meinem Restaurant erst wieder im Juni. Die Küche wird dadurch nicht langweilig.


    Wenn die Rede auf die Nahrungsmittelindustrie kommt, können Sie ungemütlich werden.
    Ich könnte militant werden, wenn große bekannte Konzerne ihre Macht ausnutzen und den Menschen ihr Anrecht auf Wasser nehmen, weil sie nicht dafür bezahlen können. Zudem ist die Nahrungsmittelindustrie in weiten Teilen von Betrug durchzogen. Zum Beispiel was die Ernährung von Veganern angeht. Vegan leben ist im Grunde einwandfrei und wunderbar. Wenn ich aber beim Fleischersatz die Liste der Zutaten lese, dann muss ich vorher Chemie studiert haben, um das zu verstehen. Veganer sind im Durchschnitt nicht blöd, aber ihnen wird viel vorgegaukelt.


    Wie kann ich mich unter diesen Vorzeichen gut ernähren?
    Jeder kann machen was er will und jeder hat das Recht auf schlechtes Essen. Vor wenigen Wochen war ich in den USA. In dem Ort, in dem ich mich aufhielt, gab es nur Barbecue und Hamburger. Im Vergleich zu den Männern dort kam ich daher wie eine Elfe. Aber die waren alle happy und haben ihren Mist mit Freude gegessen.


    Wie kann man das Bewusstsein der Menschen schärfen und ihren Fokus auf Qualität richten?
    Wer nachdenklich ist, Zeitung liest und sich informiert, der wird so einen Krempel nicht konsumieren. Aber die meisten Menschen lesen ja nix und informieren sich nicht. Also wird sich wenig ändern. Ich esse auch ab und an Junkfood. So ein Hamburger ist ja nicht tödlich. Wenn ich nachts von einem Termin komme, Hunger habe und so ein Restaurant sehe, dann hole ich mir einen Hamburger – und der schmeckt sogar. Das ist wie bei allen Drogen: Sie sind bekömmlich, wenn man Maß hält.


    Sind wir maßlos geworden, weil es alles zu jeder Zeit gibt?
    Nicht, was das Essen angeht, da sind wir extrem sparsam. Wenn ich mit Menschen rede, erzählen die von nichts anderem als von ihrem Urlaub. Das ist die Flucht aus dem Alltag und aus der Trostlosigkeit. Urlaubsgefühl kann ich mir aber auch mit einem guten Essen verschaffen. Ich kann am Hochzeitstag wundervoll essen gehen. Ich muss meinen Fisch nicht auf den Malediven verspeisen.Sie verreisen also kaum?
    Ich habe kaum Zeit dazu, mache schon mal kleine Wochenendausflüge. Ich fühle mich in meinem Zuhause außerordentlich wohl.


    Muss man für gutes Essen eigentlich einen dicken Geldbeutel haben?
    Wenn man nicht Bescheid weiß, wird es teuer. Die größte Köstlichkeit für mich, die nicht viel Geld kostet, ist Kartoffelpüree, wenn man weiß, wie es geht. Man muss auch wissen, was man aus einem schönen frischen Kohlkopf machen kann, damit es nicht schmeckt wie im Gefängnis. Mein Lieblingsessen sind Bratkartoffelbrocken, geröstete Zwiebeln dazu und Salat.



    Alles ohne Fleisch, und schon gar kein Schweinefleisch?
    Im Gegenteil. Ich esse Fleisch, aber wenig. Das Fleisch des schwäbisch-hällischen Landschweins ist göttlich. Aber das jeden Tag zu essen wäre ziemlich blöd. Ich esse ja auch nicht tagtäglich Hummer – wie entsetzlich. Zu meiner Leibspeise gehören auch Gragnano-Spaghetti. Für mich die besten Nudeln. Sie werden in Neapel hergestellt, dazu Olivenöl von einem sizilianischen Bauern, den ich persönlich kenne, und grober Pfeffer, aber kein Niespulver. Der ist eben einen Euro teurer als andere Pfeffer.



    Sie haben ein Luxusrestaurant, ist das nicht ein Widerspruch zu Ihrer Lebenseinstellung?
    Nein, weil es meinen Gästen etwas wert ist, Gutes zu essen. Es sind nicht die Reichen, die kommen. Die sind in der Minderzahl.


    Sie sagen, Großtuerei nerve kolossal.
    Ich kann Eitelkeit nicht leiden. Vor einem Jahr habe ich beschlossen, mir alle vom Hals zu schaffen, die eitel sind. Ich muss Ihnen sagen, es sind nur wenige übrig geblieben. Ich weiß natürlich, dass es nie ganz ohne Eitelkeit geht, wenn man beispielsweise auf der Bühne steht. Aber das ist ja auch akzeptabel.




    Gehen Sie selbst gern essen?


    Ich suche Gasthäuser auf, die ganz normal und sehr gut kochen. Die wissen, wie man eine gute Frikadelle macht oder einen Rostbraten von einem Rind, das gut aufgewachsen ist. Das schmeckt man und danach muss man lange suchen.
    Können wir Deutsche genießen oder sind Franzosen und Italiener besser?
    Auch Österreicher und Schweizer sind besser. Wir sind eher unbegabt.


    Kochen Sie auch für sich zu Hause?
    Zu Hause kocht meine Frau.



    Na, so was.
    Kochen ist mein Beruf, das mache ich zehn Stunden am Tag, und zu Hause erhole ich mich. Ein Automechaniker legt sich ja auch nicht in seiner Freizeit unter den Wagen. Für jemanden zu kochen ist eine Form von Liebe. Das genieße ich.


    .Quelle: 'Kölnische Rundschau'


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    Zitat

    Meisterkoch Vincent Klink geht gern auf kulinarische Entdeckungsreise. Nun durchstreift er mit uns die Welthauptstadt guten Essens – Paris. Dabei schildert er die Geschichte der französischen Küche von der Revolution bis heute. Er erzählt von Meisterköchen, Gourmets und der Alltagsküche und stößt dabei immer wieder auf die großen Dichter und Denker. So beobachtet er Balzacs Schlingern zwischen Fettleber und Fasten, begleitet die Brüder Goncourt bei ihren Restaurantbesuchen, sitzt mit Baudelaire und Flaubert zu Tisch. Er trifft berühmte deutsche Emigranten und erfährt etwa von Heinrich Heine, dass dieser sich von einer Art Pizza-Lieferdienst avant la lettre versorgen ließ.
    Doch der Connaisseur beklagt auch das Verschwinden des alten Paris. Für das «Ritz» an der Place Vendôme besaß einst Prousts Haushälterin einen Hintereingangsschlüssel, um des Nachts für den Wahnsinnigen Zungengekitzel zu holen; Hemingway soff, und Coco Chanel wohnte später hier. Mittlerweile wurde das Belle-Époque-Juwel durch eine kostspielige Modernisierung dem Geschmack der Scheichs und Oligarchen angepasst. In dem charmanten Plauderton, den seine Leser so lieben, flaniert Klink durch Gegenwart und Vergangenheit, durch Kulturgeschichte und Kulinaristik. Eine sinnenfrohe Bildungsreise für alle, die der Zauber der französischen Hauptstadt in den Bann schlägt.


    Verlag Rowohlt Verlag GmbH, 2015
    ISBN 3644036810, 9783644036819
    Länge 288 Seiten

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  • Die Zeilensprünge entstehen beim Kopieren und waren auch durch x-faches Korrigieren nicht ganz zu beseitigen. :(



    In jedem Fall aber wollte ich dieses Interview hierher zu den 'Männs' holen um Klnks Ansichten Raum zu geben.



    Dazu gehört auch, ein bisschen Werbung für seinen 'Bauch in Paris' zu machen ... ;) :thumbup:

  • Als Freund einfachen, aber aus guten Zutaten gut zubereiteten Essens schlägt Klink uns ein "Doppeltes Schinken-Spiegelei" vor.
    Schmeckt ebenso gut zum nächsten Wochenendfrühstück, wie zum Abendessen. Dann am besten mit einem leckeren Salat kombiniert



    Probiert's aus! ;)


    Rezept aus dem SZ-Magazin

  • Passionierten Bücherwürmern, als auch GenießerInnen der sinnlichen Kulinarik -doppelt gemoppelt ist besser ^^ - empfehle ich ein weiteres, bereits älteres Werk des Stuttgarter Sternekochs: "Grundzüge des gastronomischen Anstands", nach einer Regel-Sammlung von Balthazar Grimod de la Reynière (1758–1837).


    Keine Sorge, dies ist keinesfalls eine dröge Anstandslektüre, wie sollte das beim Genussmenschen Klink auch möglich sein? Vielmehr geht es um Sinnesfreuden, ansprechende Präsentation und Wertschätzung - für Gastgeber, Gast und Essen.


    Der Rowohlt-Verlag schreibt dazu:


    Zitat

    Grundzüge des gastronomischen Anstands
    Serviert von Vincent Klink


    Vincent Klink weiß es aus eigener Erfahrung: Ein Festmahl erfordert großes Geschick – von der Tischordnung über die Auswahl und Zubereitung der Speisen bis hin zur hohen Kunst der Konversation. Doch woher stammt eigentlich dieser festgeschriebene Kodex «gastronomischen Anstands»?
    Natürlich aus Frankreich, genauer: aus der Feder von Balthazar Grimod de la Reynière (1758–1837), Gourmand der ersten Stunde und Begründer der Gastronomiekritik. In eine wohlhabende Pariser Familie geboren, widmete er sein Leben den Gaumenfreuden der französischen Küche: Er verfasste Regelwerke für Gastgeber und Gäste, bewertete Nahrungsmittel und rezensierte Rezepte – mit scharfer Zunge, köstlichem Humor und hinreißendem Esprit. Nicht selten werden seine Kommentare zum kulinarischen Leben zu Aussagen über die gesellschaftlichen Umwälzungen nach der Revolution. Mag der Aristokrat auch vielen alten Sitten nachtrauern, ist er doch Verfechter eines wohltemperierten Fortschritts: «Die Tafel macht uns alle gleich.»
    Dieser Band versammelt die wichtigsten Schriften des ersten modernen Feinschmeckers. Präsentiert werden sie von Vincent Klink, der in Grimod einen «Bruder im Geiste» und maßgeblichen Wegbereiter seiner eigenen Zunft sieht. Klink tritt zudem in einen genussvollen Dialog mit seinem französischen Vorgänger: Neben einer Einführung in dessen Leben und Wirken interpretiert er die Rezepte der alten Cuisine française und serviert sie in neuen Variationen: zum Nachkochen und Genießen.

    Seitenzahl 256
    ISBN 978-3-498-05656-8


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