Internetdiskussion: "Liebe Eltern, ..."

  • Ach, wie wär es doch zudem mit Elternhilfe so bequem ... mag manch Pädagoge, ErzieherIn und Zufallsbeobachter aufstöhnen, wenn er/sie mitbekommt, wie mühsam es sein kann, Schulkindern die Grundregeln des sozialen Miteinander beizubringen.


    Seit es auch in Deutschland überwiegend Ganztagsschulen gibt, sehen Eltern ihren hoffnungsvollen Nachwuchs mehr Zeit in der Schule als Zuhause verbringen und somit die LehrerInnen in der Erziehungspflicht. Und schon immer übernahmen die Lehrkräfte -manchmal zähneknirschend- Erziehungsaufgaben, die sie der Primärerziehung im Elternhaus zuordneten.


    Getan werden muss sie in jedem Fall, also fungiert doch die Schule als verantwortlicher Ausputzer?
    Nicht mehr mit uns!, beschloss ein Kollegium in Portugal(?) und verfasste einen Elternbrief, der seither in den sozialen Netzwerken kursiert und lebhafte Diskussionen ausgelöst hat.

    (startsat60)



    Der Text des Schulbriefs in deutscher Übersetzung:


    Liebe Eltern,

    • Wir möchten Sie daran erinnern, dass Zauberworte wie "hallo", "bitte", "danke" und "es tut mir leid" zunächst einmal zu Hause erlernt werden sollten.
    • Ebenfalls zu Hause lernen Kinder ehrlich, pünktlich, fleißig und mitfühlend zu sein, sowie Älteren und Lehrern Respekt entgegen zu bringen.
    • Zu Hause lernen sie auch, sauber zu sein, nicht mit vollem Mund zu reden und Müll richtig zu entsorgen.
    • Hier in der Schule bringen wir ihnen wiederum Sprache, Mathe, Geschichte, Geographie, Physik, Naturwissenschaften und Sport bei. Wir unterstützen nur die Erziehung, die die Kinder zu Hause von ihren Eltern erhalten haben.

    Klar, alles eine Frage der Perspektive, vielleicht auch des Hühnerhofs. Henne und Ei ... ihr wisst schon.
    Wie bewertet ihr den Elternbrief, sind die Forderungen der PädagogInnen berechtigt?

  • Diese Diskussion müsste in jedem Klassenzimmer, auf jedem Elternabend, schon vom Kindergarten an, und besonders am gemeinsamen Familientisch, wenn es den noch gibt, geführt werden.
    Analog! Und von den Betroffenen - Kindern, Eltern und Lehrern oder Erziehern.


    Wichtig ist der konkrete Fall, an dem abgewogen wird, ob und warum sogenannte "Sekundärtugenden" vielleicht doch primär bedeutend für das soziale Miteinander sind.


    Ein ganz "weites Feld"... ;)

  • Deinen Diskussionsvorschlag möchte ich nicht im Ansatz ersticken.


    Deshalb noch die Antwort auf Deine Fragen:
    Wenn der Elternbrief sich auf eine konkrete Schule in Portugal (?) bezieht, dann kennen wahrscheinlich alle Beteiligten die Hintergründe, und eine fruchtbare Diskussion kann entstehen.
    Wenn es nur eine Fake-Meldung ist, so hat sie ihren Zweck erfüllt, denn jeder kann aus eigener Erfahrung etwas dazu sagen. ;)


    Allgemein möchte ich auf die zweite Frage nur antworten:
    Da die meisten PädagogInnen heute auch Eltern sind, dürfen sie wohl auch Forderungen stellen, die sie selbst zu erfüllen suchen.


    Ich weiß: "Lehrers Kinder, Pfarrers Vieh gedeihen selten oder nie."... :D

  • Es wird schwierig sein dies in unserer Gesellschaft zu ändern. Zum einen ist die europäische Kultur nicht gerade bekannt für ihre Erziehungmaßstäbe. Zum anderen lieben auch Eltern ihr eigenes Glück mehr als ihre Kinder. Kinder werden hauptsächlich nicht aus Liebe gezeugt, sondern als Investment für die Zukunft. Früher sollten Kinder auf dem Feld helfen, heute sollen sie die Eltern im Alter pflegen, oder sie wenigstens nicht einsam sterben lassen.


    Eltern sind zudem Teil der dummen Masse, die egal wie bigot und unlogisch ihr Verhalten auch scheint, sich trotzdem immer im Recht sehen, weil sie sich mit so großer Anzahl immer gegenseitig bestätigen können. Also werden Elterm auch in Zukunft die Schuld lieber bei deutlich weniger wehrhaften Minderheiten suchen, wie eben den Lehrern.


    Der Brief wird sicher schnell vergessen. Ich höre sowieso jetzt gerade zum ersten mal davon.

  • Vielleicht sehe ich es falsch. Aber mir drängt sich der Eindruck auf, als läsen sich Eltern zwar gutwillig durch laufende Meter Erziehungsratgeber - man schaue sich nur das Angebot in einer mittelgroßen Buchhandlung an! - aber verlören dabei so simple Fähigkeiten wie Beobachten, Zuhören und liebevolles Korrigieren. Und nebenbei auch noch die Zuversicht, dass Konflikte auszutragen nicht das Ende jeglicher Familienharmonie bedeutet.


    Sicher hat es Kinder als Status- und Vorzeigeobjekt*, Ersatzpartner, Blitzableiter, Arbeitskraft oder Rentenbeschaffer schon zu allen Zeiten gegeben. Mal ehrgeizig gefördert, mal ziemlich allein gelassen in der Bewältigung vielfältiger Aufgaben. Das ist nicht neu.
    Was aber in heutigen, sogenannt 'offenen' Gesellschaften verschwimmt, ist der Konsens der sozialen Umgebung bezüglich gemeinschaftlicher Werte und gemeinsamer Verantwortung
    . Die, nebenbei gesagt, auch eine gewisse soziale Sicherheit vermittelt(e). Korrekturen durch Nicht-Verwandte werden daher schnell als unbillige Einmischung empfunden.
    Und dann kommt in der Schule ne Lehrerin daher und erwartet allen Ernstes ... siehe oben, 'Elternbrief'. ;) :rolleyes:


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    © dpa
    Aufruf der Polizei Hagen aus dem Jahr 2015

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