Magnus Mills, Eine Hommage

  • Magnus Mills? Muss man den kennen?


    So habe ich auch gedacht. Dann bin ich über sein Erstlingswerk gestolpert, Die Herren der Zäune, das er in seinen BusfahrerPausen schrieb. Der Titel und der Klappentext sind so skurril, dass man sich dem schlecht entziehen kann, wenn man dann auch noch ein Faible für britischen Humor mitbringt.


    "Die Herren der Zäune" verzichtet auf psychologische Erklärungen. Der Ich-Erzähler hat keinen Namen, gewinnt kaum Kontur und er grübelt nicht. Er fragt auch nicht. Das hat z. T. kafkaeske Züge, weder den drei Zaunbauern, noch dem Leser wird klar, warum an bestimmter Stelle überhaupt Zäune gebaut werden sollen. Es sind Viehzäune ... aber Kühe und Schafe bleiben seltsam abstrakt.
    Was auch immer geschieht, es wird schicksalshaft?? hingenommen. Dabei sind die Zaunbauer nicht nur Opfer: Wenn beim Zaunbau ein unwissend-unvorsichtiger Beobachter plötzlich zu nah am Geschehen steht -er will die Arbeit überwachen- und durch einen blöden Arbeitsunfall sein Leben aushaucht, wird er professionell unter einem markanten Zaunpfahl begraben ... mehr oder weniger wortlos, aber nicht ohne Würde.


    AlltagsSituationen werden bis zur Schmerzgrenze auf reine Beschreibung reduziert, durch die lapidare Sprache werden sie skurril.
    Der Alltag der Zaunbauer ist -zumindest für einen Zuschauer- extrem eintönig, aber die Herren der Zäune lieben ihren Job. Der Ausbeutung durch einen effektiv denkenden Chef begegnen sie mit reichlich Zigarettenpausen und ähnlichen Verlangsamungen.


    Dem Leser kann es da schon mal passieren, dass er der banalen Eintönigkeit des Alltags der Protagonisten erliegt ... und die eigene Lesearbeit glatt abbrechen möchte. Zuletzt keimt allerdings der Gedanke auf, dass die dargestellten "Trottel" durchaus erkannt haben könnten, dass es nicht reicht, den Chef zu wechseln. Ein Erkenntnisgewinn, der nicht wirklich fröhlich stimmt.


    Nein, das Buch ist nicht langweilig ... es hat den schwarzen Humor, bei dem zum Schluss das Lachen im Hals stecken bleibt.


    Den zweiten Band von Mills, "Indien kann warten", habe ich ausgelassen. Das sah mir zu sehr nach Wiederholung aus.


    Dann hielt ich Zum König in der Hand. Der Titel lockt mich da auch nicht. Die Ausgangssitutation klingt bekannt-verrückt. Ich habe ich mich darauf eingelassen und jetzt hänge ich fest.


    Das verspricht der Klappentext:


    Ich wohne in einem Haus, das ganz und gar aus Blech gebaut ist. Lange Zeit war ich hier ziemlich zufrieden: aber dann stand eines Tages eine Frau vor der Tür und sagte: "Also hier hast du dich die ganze Zeit versteckt".


    Der Romananfang -der mehrfache Romanleser weiß inzwischen, dass er an dieser Stelle möglicherweise eine "Vorschau" überliest- ergänzt die Beschreibung des Blechhauses um die Feststellung, dass es keine Fenster hat, weil es draußen nichts zu sehen gibt.


    Mills bleibt seinem Stil treu. Der Ich-Erzähler hat immer noch keinen Namen, aber der Leser kennt seine Gedanken. Die Alltagssituationen bleiben eintönig ... ohne allerdings für den Protagonisten ihren Reiz zu verlieren.


    Da staunt der Leser, wenn jemand jeden Morgen ausdrücklich zufrieden den Sand wegschippt, der über Nacht angeweht wurde, damit das Blechhaus nicht in demselben versinkt und dann lässt sich der Gedanke nicht ganz vertreiben, ob man selbst nicht auch manchmal ... so oder so ähnlich ... ??


    Zum König ist aus meiner Sicht eine deutliche Weiterentwicklung des Erstlingswerks.


    Muss man Mills kennen? Wer ihn nicht kennt, hat jedenfalls einen ungewöhnlichen Autor verpasst.


    Lest selbst!


    P. S. Markus Mills, 1954 in Birmingham geboren, lebt heute in London.




  • Falls ihr die ultimative Lobhudelei vermisst, die zu einer "Hommage" ja doch wohl gehört, sie passt nicht zum Stil von Mills ... und ist eh meist nur ein PR-Gag.


    Man liest ein Buch, oder man legt es weg. Das Buch und eine wie auch immer definierte Qualität bleiben davon unberührt.

  • Ja, der Rum Doodle ... der bleibt bei mir ganz oben auf der Liste.


    Inzwischen hab ich "Zum König" zu Ende gelesen und werde mir jetzt auch die verhinderte Reise nach Indien vornehmen.


    Mills reitet keine verkaufsträchtige Masche, er ist ja auch kein "Bestseller". Er greift auf sehr eigene Weise, fast nebensächlich, grundsätzliche Themen so auf, dass der Bezug zur eigenen Wirklichkeit zwischen den Zeilen der lapidaren Darstellung deutlich wird.


    @Compi
    Es sind doch keine Lattenzäune. Da werden Pfosten versenkt und Draht gespannt ... immer ganz akkurat!
    ;)

  • Den zweiten Band von Mills, "Indien kann warten", habe ich ausgelassen.

    Das war aus meiner Sicht ein Fehler.


    "Indien kann warten" zeigt in gewohnt lakonischer Form, aber sehr abwechslungsreich, wie Alltagsprobleme einen Menschen überrollen können.


    Wie kann das passieren, dass man so oft das tut, was andere grad erwarten, obwohl man deutlich andere Pläne hatte?


    Die eigenen Pläne nur ein Traum? Die anderen übermächtig, weil sie dann irgendwie doch auch an eigene Bedürfnisse appellieren?


    Ich hab den Protagonisten immer wieder bedauert. Aber so ganz unzufrieden schien er trotz allem nicht zu sein.


    Mills gibt auch hier keine Lösungen vor, aber er macht auf unterhaltsame, grotesk-bizarre Weise sehr nachdenklich.

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