Plädoyer für einen anderen Feiertag

  • Eine Frage der individuellen Wahrnehmung.


    Ich finde, dass eine Mehrheit der Bürger den 3. Oktober schon lange als “Feiertag” im Sinne eines
    freien Tages okkupiert hat. So weit, so schlecht. Das, was dieser Tag uns eigentlich vermitteln sollte, gerät dagegen in den Hintergrund.


    Kann nicht etwa jeder Zeitzeuge eine klare Aussage dazu treffen, wo und bei welcher Gelegenheit ihn
    die Nachricht von der Maueröffnung ereilt hat? Ich zumindest schon. Allzu
    aufwühlend war dieser Augenblick, als meine Frau mich von der Montage ihrer neuen
    Küchenspüle durch ein mit fassungslosem Blick und feuchten Augen vorgetragenes
    “Die Mauer ist auf!” zum Fernsehapparat lotste. Die Erinnerung an den Rest des
    Abends ist in einem zusammenhanglosen Nirwana untergegangen, wie in einem
    dichten Nebel. Die Spüle habe ich am nächsten Tag angeschlossen.


    Diese Emotionalität des Augenblicks kann kein verordneter Feiertag je ersetzen. Mehr als einen
    Opernsänger, der am 3.Oktober 1990 das „Lied der Freude“ anstimmte, habe ich vom
    offiziellen Festakt nicht behalten. Der 9. November 1989 erfüllte jedoch alle
    Erfordernisse, DER “Tag der Deutschen” zu sein. Und gerade ein Brückenschlag
    zum gleichen Tage im Jahr 1938 zeigt doch auf, dass wir es mit einem gänzlich
    anderen Deutschland zu tun haben als dem, das einst unter einem
    Verbrecherregime eine unselige historische Talfahrt unternahm.


    Ganz persönlich? Ich werde morgen, am 3. Oktober 2014, in meine alte Heimat fahren. Zum 10. Male jährt sich der
    Todestag meines jüngeren Bruders. Meinen 88jährigen Vater werde ich bei dieser
    Gelegenheit aus der selbst gewählten Abgeschiedenheit seines Wohnheimes zum
    Grab des Sohnes fahren und ihn anschließend über das Wochenende nach Köln
    holen; unmöglich für mich, den Witwer, der diesen Verlust nie wirklich
    verarbeiten konnte, zu diesem Anlass allein gelassen quasi im eigenen Saft
    schmoren zu lassen. Und auch eine Ablenkung für mich von den dumpfen Gedanken,
    die mich zu diesem Anlass umtreiben.


    Und es ist Feiertag, obendrein ein Freitag, der ein verlängertes Wochenende dazu einleitet? Wie passend und
    angenehm!


    Ach so, der “Tag der Deutschen Einheit” ist es ja auch noch.

  • Und es ist Feiertag, obendrein ein Freitag, der ein verlängertes Wochenende dazu einleitet? Wie passend und
    angenehm!


    Ach so, der “Tag der Deutschen Einheit” ist es ja auch noch.


    Warum so verbittert?


    Du maßt dir an, dem "Deutschen" jedes Gefühl für die Wichtigkeit dieses Tages abzusprechen. Jeder von uns, ob im Osten oder im Westen der Republik wohnend, wird den Tag des Mauerfalls auf seine ganz persönliche Weise erlebt und für sich konserviert haben.


    Und ja: Es ist ein gesetzlicher Feiertag, an dem die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung frei hat (Ich nicht. Ich muss morgen und am Wochenende arbeiten)


    Und ja: Es ist diesmal ein Freitag. So what?

  • Ich stimme dir zu, Alt-aber-bezahlt, es ist eine Frage der individuellen Wahrnehmung.


    Grundsatzdiskussionen um den Sinn von Feiertagen, auch nationale, werden immer wieder aufkommen. 3.Oktober - Tag der Deutschen Einheit . Und der 'Gefahr', dass die freie Zeit 'zweckentfremdet' und zur persönlichen Gestaltung genutzt wird, dürfte wohl kein derartiger Tag entgehen.

    Was den Einzelnen an geschichtsträchtigen Tagen bewegt und was wir assoziieren, wurde schon an anderen Stellen im Forum zur Sprache gebracht: 9. November - Mauerfall und 9. November - Schicksalstag der Deutschen .
    Für dich, mich und zig-Tausende andere Deutsche mag der 9. November persönliche, bewegend-schöne Erinnerungen an den Mauerfall wach rufen. Gleichwohl ist das Datum 9. November -ebenso für zig-Tausende Deutsche- mit völlig anderen persönlichen Erinnerungen, nämlich denen an
    grauenvolle Pogrome, Vernichtung und Tod der Lieben verbunden.

    Ich halte es deshalb für eine kluge Entscheidung, dem 'Tag der Deutschen Einheit' als gemeinsamem, nationalen Feier(!)tag einen besseren Platz im Kalender zu geben - den 3.Oktober. Der Tag also, an dem die
    Vereinigung beider deutscher Nachkriegs-Staaten politische Realität wurde.


    Zitat

    3.10.1990: Deutsche Wiedervereinigung: Die neuen Länder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR treten der Bundesrepublik Deutschland bei.
    Damit löst der 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit den – bis dahin in der Bundesrepublik Deutschland geltenden – 17. Juni als deutschen Nationalfeiertag ab.

    (Wikipedia)


    de.wikipedia.org


    PS
    Dir und deiner Familie einen guten, gemeinsamen 3.Oktober!


  • Der dritte Oktober ist auch für mich ein passendes Datum für den einzigen nationalen Feiertag.


    Die DDR ist ja langsam zerbröselt, der Vertrag am 3. Oktober 1990 besiegelt den gemeinsamen Neuanfang. Der verbindet uns heute.


    ... ein durchschnittener Draht zwischen Österreich und Ungarn, ein Zug aus der CSSR nach Hof, der Fall der Mauer ... alles euphorische emotionale Momente ... und was sagt die Realität?


    Die Wiedervereinigung war tatsächlich ein Anschluss der DDR an die BRD.
    Es musste dann plötzlich alles viel zu schnell gehen, die ausgearbeiteten Pläne des Runden Tisches, mit dem DDR-Bürger sich in den Westen "einbringen" wollten ... mitnehmen, was
    ihnen lieb und wichitg war, verschwanden unter demselben ...
    und die Westdeutschen hatten plötzlich Brüder und Schwestern, von denen sie nur "wussten", dass sie sich irgendwie einer Diktatur gebeugt haben mussten.


    Daran leidet die Einheit aus meiner Sicht bis heute.


    Trotzdem ist es richtig, die Einheit zu feiern, die noch lange nicht vollendet ist. Die Zeit wird es richten ... und Gespräche.



  • Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.