Wahrscheinlich hatte ich wieder etwas angestellt, und der große Weltenplaner im Himmel, an den so viele glauben, hatte sich eine Strafe für mich ausgedacht.
So musste ich auf einem Wohnzimmersofa an der Seite einer älteren Dame, bei der ich zu Besuch weilte, mir Carmen Benebelt ansehen. Oder war es der Moik, Moik, Moik, der das stärkste Zeug raucht, wie Stefan Raab mal sang? Ich weiß es nicht mehr.
Denn was ich erlebte, war eine Orgie des Kitsches. Mit Volksmusik, die ja immerhin zur Kultur eines Volkes gehört, hat dashoffentlich nichts zu tun, denn dann wäre es um das Volk der Dichter und Denker schlecht bestellt. Die Darsteller boten eine Mischung aus Schlager und dumpfer Stimmungsmusik. Zwischendurch erkundigte sich die Moderatorin in vertraulicher Form - in dieser Branche ist man ja eine große Familie - nach dem Befinden und nach den neuesten Plänen.
Natürlich war die Stimmung gut, das Lächeln breit und die Perspektiven rosig.
Meine ältere Verwandte fand es auch schön, und ich bemühte mich ihr beizupflichten - nicht sehr glaubwürdig wohl.
Ein paar Tage später las ich, dass ein Volksmusikakrobat auf einem Weihnachtsmarkt randaliert hätte. Ja, vielleicht war ihm nach einem Glühwein bewusst geworden, welchen Unfug er auf der Bühne verzapft. Vielleicht wollte er in seiner Jugend lieber so werden wie Mick Jagger?
Und dann stellte ich mir vor, was hinter den Kulissen möglicherweise so abläuft.
Die XY Herzbuben wollten lieber Jazz machen, aber damit kann man die Miete nicht zahlen. So verschlug es sie zur Volksmusik. Also schnell noch ein oder zwei Schnäpse, denn sonst erträgt man diesen Irrsinn auf der Bühne nicht. Der Moik, der Moik, der Moik, Moik, Moik dröhnt sich voll, denn vor der Kamera muss er nur ablesen, und wenn er sich verheddert, ist ihm das ohnehin egal. Carmen XY, auch eine Moderatorin, weiht vor dem Auftritt einen schüchternen Praktikanten in die Geheimnissse der Sinnlichkeit ein - auf alten Fregatten lernt man bekanntlich das Segeln.
Bei den XY Spatzen gibt es Gruppenkoller und Roberto B. erzählt dem anderen Praktikanten weinend, dass er früher bei einem berühmten Regisseur wie Alfred Weidemann mit Felmy, Horst Frank und anderen deutschen Schauspielgrößen vor der Kamera gestanden hätte. Mehrmals wollte ihn Hollywood, aber er hatte keine Zeit...
Und 30 Minuten treten sie lächelnd vor einem Publikum auf, das viel Geld für eine Karte ausgegeben hat und spielen ihre Rolle. Denn das Publikum will die schöne Illusion.
Mal ehrlich: So viel Selbstverleugnung ist schon eine Leistung...