Le Café Français

  • Schon als wir uns hier im Café zum ersten Mal #257 Apollinaires Gedicht zugewandt hatten und ich mit Enzensbergers Version #258 befasst war, betrachtete ich seine deutsche Fassung als "Nachdichtung". Das gefällt mir auch heute noch besser, als in seiner Textversion eine bloße "Übersetzung" zu sehen.

    Dafür sind die Unterschiede -ihr habt sie ja benannt- zu deutlich. Dem gerne-Polterer Enzensberger unterstelle ich Bewusstheit für seine eigenen markanten Akzente. Hat er nicht auch an der Sorbonne(!) Literaturwissenschaft, Sprachen und Philosophie studiert?


    Es ist halt allgemein das Kreuz mit Übersetzungen: Wie soll es gelingen, Charakteristika, Sprachmelodie, Rhythmus und manches mehr, ohne nennenswerte Verluste von einer Sprache in eine andere zu übertragen? Bei Prosa mag das noch eher gelingen - aber bei Lyrik??


    Denkt bloß mal an die heftigen Auseinandersetzungen, wer denn überhaupt legitimiert(!) und befähigt sei, eine angemessen passende Übersetzung von Gedichten der US-Poetin Amanda Gorman zu leisten.


    https://www.deutschlandfunkkul…ml?dram:article_id=494916

  • Seit meiner Schulzeit schätze ich Enzensberger als politischen Dichter mit umfassendem Wissen, außerordentlicher sprachlicher Variationsbreite und einem feinsinnigem Gespür für falsche Töne.

    Ich denke, Deine Unterscheidung zwischen Nachdichtung und Übersetzung ist der Punkt.

    Eine Übersetzung versucht das Original in Empathie mit dem Verfasser möglichst nah am Original zu übertragen - sehr schwierig und kaum machbar. In einer Nachdichtung wagt der "Dolmetscher" seine eigene Situation, Zeit und Sprache in das nachempfundene Kunstwerk einzubringen.

    Wenn ich richtig recherchiert habe, stammt Enzensbergers Nachdichtung von 1971. Nicht unbedingt die Zeit der Wehmut, sondern der politischen Unruhe, also auch der härter klingenden Worte.

  • Ich muss gestehen mich im Französischen mehr auszukennen als im Deutschen und Englischen und kann daher gerade in der Lyrik wenig Vergleiche ziehen oder mitreden. Aber ich denke das dass in den meisten Sprachen ähnlich ist. Eine Nachdichtung ist wahrscheinlich das Bessere als eine vermurkste eng am Text angelehnte Übersetzung.
    Ich lese immer gerne das Original, auch wenn ich nicht jedes einzelne Wort verstehe, den Sinn erfasse ich immer und manche Vokabel erschließt sich auch dadurch. Leider sind fremdsprachliche Bücher im Handel in D immer teurer, daher stöbere ich gerne auf Reisen in den Buchhandlungen. Das entfällt zur Zeit. *seufz*
    Wer kennt die große Buchhandlung Gibert Jeune, Place de Saint Michel? War immer eine Freude dort zu stöbern. Aber leider haben die ganz zugemacht. Très triste ... Zeichen der Zeit :(

  • dass ich die Werke Apollinaires als Vorläufer des franz. Surrealismus kennengelernt habe,

    Während meiner Schulzeit wurde Apollinaire auch den Impressionisten wie Rimbaud und Verlaine zugeordnet, was dem ja nicht widerspricht, dass er ein Vorläufer des Surrealismus war. Sein Gedicht würde ich eher in die Nähe von Rimbaud einordnen.

    Wie viele verschiedene Stilrichtungen um diese Zeit nebeneinander sich entwickelten oder verabschiedeten, kennzeichnet das Porträt des Malers Rousseau von Apollinaire und seiner Muse;)

    Der Dichter und seine Muse. Porträt von Guillaume Apollinaire und Marie Laurencin, 1909 von Henri Rousseau

    https://www.meisterdrucke.de/k…arie-Laurencin,-1909.html

  • Ich hatte mich in einen Kurs littérature comparée eingeschrieben an der Fac de lettres in Tours. Dort haben wir ein intensives Semester über Surrealismus gehört. Es war sehr interessant und inspirierend auch wenn ich damals noch sehr jung war und das inzwischen weit weg ist, ich wahrscheinlich auch nicht alles verstanden habe ;). Allerdings haben wir nicht nur Lyrik gelesen. Von dort habe ich über "Alcools" dies als Eindruck mitgenommen:

    Zitat

    Le courant d'Alcools :

    La modernité. Alcools est associé au cubisme et au surréalisme (c'est Apollinaire qui a inventé le terme de "surréalisme"). La poésie d'Apollinaire est unique et inclassable, mais la publication d'Alcools en 1913 manifeste cet "esprit nouveau" qui, en peinture - avec le cubisme - et en littérature - avec le surréalisme - ouvre le champ de la modernité en ce début du XXème siècle.


    Quelle

    aber du hast Recht in dieser Zeit gab es viele Strömungen, eine unruhig, bewegte Zeit mit viel Umbruch und vielen Ideen auch in der Kunst.

  • Lernen am Ufer der Loire - war das schööön!

    Nicht an der Uni von Tours, mir ist das einen Katzensprung entfernte Amboise 'Lernheimat' gewesen.


    Beim Googlen der Lokalitäten kam ein bisschen Wehmut auf:

    Sphinxies Uni ist in beklagenswertem Zustand und braucht dringend ein paar Millionen Euro für die Renovierung, und meine einstige Lernstatt wurde inzwischen zum Museum umgewandelt.

    *seufz*

  • Grad machen sich Erinnerungen breit, und ich stöbere ein bisschen in alten LP-Beständen.

    Jean Ferrat singt Louis Aragon

    Schon wieder ein *seufz*



    Louis Aragon

    https://www.uni-muenster.de/Lo…agon_leben_und_werke.html

  • Zitat

    Nicht an der Uni von Tours, mir ist das einen Katzensprung entfernte Amboise 'Lernheimat' gewesen.

    Jaaa! und dort war ich Malen in einem kleineren Schloss.

    gegenüber von Amboise. Schlösser hat es da ja um jede Ecke.

    CB47355F-856A-4381-A865-1CC2A0ACFE9B.jpeg


    uuund was bei dieser Gelegenheit auch sehr schön war, war ein sommerliches Freiluftspektakel auf dem Schloss von Amboise selbst.

    Leider scheint es das nicht mehr zu geben. Zentralfigur war natürlich Leonardo da Vinci. Ich nehme an das entsprach diesem event. Findet wie so vieles momentan nicht statt.