Le Café Français

  • Also das hat jetzt nix mit la France zu tun. Ich hatte heute zuviel Zeit:) und habe ja auch Querdenkerei in der weiteren Verwandschaft, also bin ich mal auf die Suche nach Erleuchtung gegangen. Es gibt heute ausgewiesene Erleuchtete, die auch Coachings anbieten. Wer noch nie ein Coaching hatte ist sowieso hoffnungslos oldschool, aber das nur nebenbei. Im Grunde geht es um eine Art Bewusstseinserweiterung (man kann vlt. auch LSD nehmen :) ). Und es geht natürlich um die Seele, das Ego, schwarze und weiße Magie und wie praktisch zu Coronazeiten auch Astralreisen ;).



    mache mich jetzt auf den Weg zur Erleuchtung mit Hyperschallgeschwindigkeit zum Urlicht durch die Galaxien … cu :)

    ps: wer kommt mit? :)))

  • Ist euch sicher auch schon begegnet: Manchen Texten merkt man überdeutlich an, dass sie vom Original in eine andere Sprache übersetzt, fast schon rüber gewuchtet oder gefriemelt wurden. Schon bei Filmsynchronisation und Untertiteln stößt dies mitunter übel auf. Noch gravierender fallen diese Stolperstellen bei literarischen Texten ins Gewicht. Aber bevor man die jeweiligen Übersetzer der Inkompetenz bezichtigt und schmäht, lohnt sich eine Beschäftigung mit den vielfältigen Anforderungen ihrer Arbeit.

    Der folgende Artikel gibt - anhand eines Apollinaire-Textes - interessante Einblicke.


    Apollinaire-Übersetzungen : Was pfeffern die uns bloß rüber?

    • Von Marie Luise Knott

    Guillaume Apollinaire 1910 in Pablo Picassos Atelier

    Ein Wettbewerb in entmilitarisierten Zeiten: Wie lassen sich zwei Liebesbriefe Guillaume Apollinaires aus dem Französischen ins Deutsche bringen? Die Herausforderungen beginnen schon mit der Anrede „Mon Loup adoré“.


    FAZ

  • Ergänzung für Genießer:
    Zwei Liebesbriefe Apollinaires an Louise de Coligny-Châtillon, in der Übersetzung von Françoise Sorel


    Briefe an den liebsten Luchs
    Von Guillaume Apollinaire / Deutsch von Françoise Sore


    Den 10. Dez. 1914

    Lou, mein geliebter Luchs, ich schreibe Dir aus der Kantine. Das Papier hat schon Flecken, bald werden es viel mehr sein, aber nur hier, im wirren Gelärm, habe ich ein bisschen Ruhe. Heute Morgen Aufstehen im Dunkeln, Appell im Regen. Kaffee zwischendurch, nach dem Appell bekommen wir Brot und eine Tafel Schokolade. Der Gefreite beauftragt mich und einen weiteren Poilu mit dem Tischdienst. Um halb sieben führt man mir im Stall, der so schön riecht wie die Liebe, das Satteln vor. Um halb neun in der Reithalle, wo ich meine Kameraden einen holprigen Trab reiten sehe. Mach ich heute Nachmittag. Um ½ 10, Fußexerzieren, man lässt mich separat exerzieren. Um halb elf hole ich die Suppe und das übliche Kantinen-Ragout aus der Küche. Nicht gerade lustig – Nun wird gefuttert. Ich bringe Küchengeschirr und Abfall allein zurück, ich haue ab so schnell es geht, damit man mich nicht noch beordert, den ganzen Dreck zu entsorgen – So sieht’s aus, geliebte Lou. Ich habe nur noch ein paar Minuten, ich esse eine Birne und trinke eine Pulle Wein. Um Viertel vor zwölf muss ich gewaschen und rasiert sein, um zum Satteln zu gehen. Es ist Viertel nach elf. Bis ½ 6 hat das Quartier Ausgangssperre. Geliebte Lou, ich verspreche Dir, Dich und nur Dich mein ganzes Leben zu lieben. Auf immer und ewig bist Du meine einzige Frau und immer werde ich Dir treu sein. Ich habe die zwei Karten im Kuvert erhalten und musste laut lachen.


    Heute Nacht, Lou, habe ich gespürt, dass meine Halskette gerissen war. Sämtliche Anhänger lagen in meinem Bett verstreut und ich habe sie, in der Enge auf dem schmalen Lager, alle wieder Stück für Stück eingesammelt und ließ sie in mein Portemonnaie gleiten. Deine, köstliche Lou, habe ich zart geküsst. Ich denke an Dich, an Deinen liebreizenden Körper, an Deine so schlichte und tiefgründige, liebe Seele. Auf Wiedersehen, kleiner Luchs, bis dann. Ich muss zur Arbeit.


    Das Paket wurde mir ausgehändigt. Meine Lou ist köstlich, meine Lou ist mir alles, meine Lippen liegen für immer auf den Deinen, gute Lou, Du, liebste Seite meiner selbst.

    Mein letztes Glas Wein trinke ich auf Dich und umarme Dich von ganzem Herzen.


    Bis heute Abend.


    Guillaume Apollinaire und Guillaume Kostrowitzky, 2. Fahrer, Artillerie-Regiment 38, 78. Batterie, Nîmes 166



    ***


    24. Mai 1915

    Was pfeffern die uns denn heute in der Pfingstnacht, nach ein paar Tagen Ruhe, bloß rüber. Es ist ein Uhr morgens. Gestern Vormittag war ich im Schützengraben bei unseren abkommandierten Mörser-Kanonieren. Ich habe die Löhnung gebracht. Wunderbarer Spaziergang. Pferd bei der Feldküche gelassen. Zurück über buchstäblich goldene Wiesen wegen der Butterblumen. Ich lauschte dumpfem Geschützfeuer. Auf der Straße sehe ich eine niedliche kleine Natter mit gelber Halskrause, wenn ich sie berührte, stellte sie sich schön tapfer auf und züngelte dabei, beim Kriechen wechselte sie oft die Richtung ihrer Windungen [Wellenlinie] oder [Wellenline].


    Da kommt ein Bischof-Major angeritten, ich hatte ihn nicht kommen hören. Ich höre: „Sie suchen nach Spuren oder einer Fährte?“ Ich schaue auf und sehe einen weißbärtigen Greis, sehr milde Augen, Schiffchen mit vier goldenen Tressenwinkeln auf dem Kopf, großes violettes Ding um den Hals, Bischofskreuz an der Brust, schwarze, flatternde Soutane, lackierte schwarze Stiefel, Sporen. Ich antworte: „Ich schaue mir eine Natter an.“


    Er hat mich mit sehr mildem Blick angeschaut und hat dann seinen Weg fortgesetzt. Auch die Natter ist weggehuscht, kleiner, guter Geist, der mir ein gutes Omen ist, auf dem Rückweg zu Mittag gegessen, dann beim Konzert im Park gewesen, von dem ich Dir erzählte, dann zurück zum Quartier, Briefe, von Dir nichts, ein Brief aber da von einem meiner Freunde, einem interessanten italienischen Schriftsteller, interessanter als der unechte D’Annunzio, dem die antiquierte Lieblichkeit einer alten Kokette anhaftet. Ich schicke Dir den Brief in einem weiteren Kuvert, adressiert an G. Apollinaire. Dann war ich in der Stadt essen, wo ich eingeladen war, ich habe bezaubernde Mädchen getroffen, das eine vor allem, wirklich reizend und ganz schön kokett, aber bei mir ist nichts zu machen, die Keuschheit selbst, da wurde uns fernmündlich die Entscheidung Italiens mitgeteilt und ich eilte los, zurück ins Quartier. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat die ganze Front zu Ehren des neuen Verbündeten Salutschüsse abgefeuert, das war wundervoll, die Nacht war angebrochen, die Schützengräben stießen einstimmig ein Vivat aus. Und nun antworten die Boches – Ich bin gespannt zu lesen, was in den Zeitungen steht, und zu erfahren, was nach der Kriegserklärung an der neuen italienischen Front passiert. Natürlich wird das eine Menge feldgrauer Soldaten beschäftigen. Na, umso besser, je mehr Leute in diesem Krieg mittanzen, desto kürzer wird er hoffentlich sein und desto schneller werden wir in unser Zivilleben wieder entlassen.


    Ich kann mir nun vorstellen, dass die Deutschen jetzt schnell und gewaltsam all die Schlagkraft ihrer Marine gegen England einsetzen, um dem Land das Rückgrat zu brechen, und versuchen werden, seine Seestreitkräfte zu zerstören . . .

    Auf dem Rückweg vom Konzert habe ich mich von einem Feldwebel der Jäger, den ich kenne, fotografieren lassen, ich bin mit Berthier unterwegs, der aus der Krankenstation entlassen wurde, und der mit mir auf dem Konzert war. Wenn das Bild gut wird, schicke ich es Dir.


    Auf dem Weg ins Konzert, im Dorf, durch das ich gegangen bin und wo Militär ist, habe ich an der Kirche ein Schild gesehen mit der Aufschrift Gefängnis, das lässt einen erschauern, zumal es jetzt sehr sehr streng zugeht.

    Soweit f. heute, auf Wiedersehen, kleiner Luchs, bis morgen, ich lege Dir ein ganz goldenes Insekt bei, das ich im Schützengraben gefunden habe. Ich kenne seinen Namen nicht.

    Gui.



    In Kooperation mit dem Deutschen Übersetzerfonds und dem Institut français

    Guillaume Apollinaire, „Lettres à Lou“ © Editions Gallimard, Paris, 1969.

  • DESWEGEN ziehe ich immer wenn möglich das Original vor.

    Mein Lieblingsgedicht von Apollinaire: le pont Mirabeau, aus Alcools (sehr melancholisch und doch schön und wahr):


    denk dran wenn du mal wieder auf dieser Brücke stehst:)


    Le pont Mirabeau

    Sous le pont Mirabeau coule la Seine
    Et nos amours
    Faut-il qu'il m'en souvienne
    La joie venait toujours après la peine Vienne la nuit sonne l'heure
    Les jours s'en vont je demeure
    Les mains dans les mains restons face à face
    Tandis que sous
    Le pont de nos bras passe
    Des éternels regards l'onde si lasse
          Vienne la nuit sonne l'heure
    Les jours s'en vont je demeure

    L'amour s'en va comme cette eau courante
    L'amour s'en va
    Comme la vie est lente
    Et comme l'Espérance est violente
    Vienne la nuit sonne l'heure
    Les jours s'en vont je demeure
    Passent les jours et passent les semaines
    Ni temps passé
    Ni les amours reviennent
    Sous le pont Mirabeau coule la Seine
    Vienne la nuit sonne l'heure
    Les jours s'en vont je demeure
    .


    Les Fleurs du Mal von Baudelaire, da stoße ich dann aber an Grenzen, jedoch finde da mal eine gute Übersetzung. Übersetzungen sind wie wenn man den Duft von Maiglöckchen unter einer Glasglocke riechen wollte :)

  • Und vielleicht -manchmal- auch Hans Magnus Enzensberger

    Pont Mirabeau, Paris

    Hans Magnus Enzensbergers deutsche Version des G. Apollinaire Gedichts:


    UNTERM PONT MIRABEAU

    Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine.

    aaaaaaaaaaWas Liebe hieß,

    aaamuß ich es in ihr wiedersehn?

    Muß immer der Schmerz vor der Freude stehn?

    aaaNacht komm herbei, Stunde schlag!

    aaaIch bleibe, fort geht Tag um Tag.

    Die Hände, die Augen geben wir hin.

    aaaaaaaaaaBrücken die Arme,

    aaadarunter unstillbar ziehn

    die Blicke, ein mattes Fluten und Fliehn.

    aaaNacht komm herbei, Stunde schlag!

    aaaIch bleibe, fort geht Tag um Tag.

    Wie der Strom fließt die Liebe, so

    aaaaaaaaaageht die Liebe fort.

    aaaWie lang währt das Leben! Oh,

    wie brennt die Hoffnung so lichterloh!

    aaaNacht komm herbei, Stunde schlag!

    aaaIch bleibe, fort geht Tag um Tag.

    Wie die Tage fort, wie die Wochen gehn!

    aaaaaaaaaaNicht vergangene zeit

    aaanoch Lieb werd ich wiedersehn.

    Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine.

    aaaNacht komm herbei, Stunde schlag!

    aaaIch bleibe, fort geht Tag um Tag.



    PS
    Ist das nun ein "Maiglöckchen unter einer Glasglocke", oder doch nicht?:/

  • Bitten wir auch Serge Reggiani hinzu?

    ja das ist viel schöner als das Original von Apollinaire selbst gesprochen. findet sich auch auf youtube.

    Ist das nun ein "Maiglöckchen unter einer Glasglocke", oder doch nicht? :/

    ja, ist es, der deutschen Sprache fehlt der französische Anklang, die Anmutung, es ist eine schöne, zum Teil recht freie Übersetzung, anders, ein Maiglöckchen ohne den typischen Duft.


    alleine dass die Stunde "schlägt" und nicht läutet hat so was typisch deutsches ... aber vlt. höre ich das auch nur hinein. "sonne l'heure" klingt für mich soviel weicher als "Stunde schlag":) Für mich vergehen die Tage statt "fort zu gehen" obwohl das nun wieder direkter am französischen wort ist. Jede Sprache hat ihre Eigenheiten, man kann sich nur annähern mittels Übersetzung.

  • Gerade die impressionistischen Gedichte leben vom Klang.

    In Enzensbergers Übersetzung, die mir auch gefällt, sind fast alle Reime stumpf, während sie im Original klingend schwingen. Das wirkt viel härter, besonders auch in dem "Refrain", wo aus einem Wunsch im Konjunktiv ein Befehl wird.

    Das Bild von den "Maiglöckchen unter der Glasglocke" charakterisiert die Schwäche von Übersetzungen recht treffend.

  • Gerade die impressionistischen Gedichte leben vom Klang.


    Ich möchte noch ergänzend hinzufügen, dass ich die Werke Apollinaires als Vorläufer des franz. Surrealismus kennengelernt habe, aber der Klang ist durchaus das, was im Deutschen fehlt, will man Französisches übersetzen, oft, meistens, eigentlich immer.